Viel zu spät begreifen viele die versäumten Lebensziele: Freude, Schönheit der Natur, Gesundheit, Reisen und Kultur. Darum, Mensch, sei zeitig weise! Höchste Zeit ist's: Reise, reise! - Wilhelm Busch

Donnerstag, 10. April 2014

Von Mordor in die vergessene Welt

Es ist der 1. Dezember. Wir haben ein paar Schneeflocken und Weihnachtsmänner an unsere Camperfenster geklebt, bekommen sogar noch welche dazu von Anke und Thorsten, die noch einen weiteren Tag in Whakapapa ausharren wollen, denn morgen soll das Wetter wieder gut sein fürs Alpine Crossing. Wir dagegen haben genug von diesem seltsamen Platz mit seinen teils verbissenen Bewohnern. Und bekommen prompt ein Abschiedsgeschenk des Himmels. Gerade, als ich die restliche Wäsche aus dem Trockner hole, mich umdrehe, da reißt der Himmel auf, man erkennt Schneefelder, Felsen, Gipfelgrate. Der Ruapehu zeigt sich! Zwei Tage zu seinen Füßen und nichts als graue Erde gesehen. Mit mulmigem Gefühl im Bauch zu den Lautsprechern im Camp empor geschaut. Sollten die angehen, eine Sirene ertönen, heißt es nix wie weg. Das Camp liegt mitten in der Lahar-Zone. Lahar sind Schlammlawinen, die abgehen können, wenn der Ruapehu ausbricht. Er ist ein aktiver Vulkan und hat erst vor ein paar Jahren das letzte Mal gespuckt. Und nun sehe ich ihn wenigstens, renne zurück, sage den anderen Bescheid, renne vor zur Straße, mache Bilder und renne zurück. Schnell beschließen wir loszufahren, bis zur Skistation gibt es eine Straße, die ist auch offen, also los! Wir werden belohnt. Mittlerweile sind fast alle Wolken verschwunden, weiß ist einzig und allein der Schnee an den Hängen. Wir halten an zum Genießen...




Oben an der Skistation vergeht mir fast die Lust, im Winter auf die Bretter zu steigen. Es sieht so trostlos aus, die Lifte staken wie Fremdkörper aus der ohnehin tristen Landschaft. Der Wind lässt uns trotz Sonne frösteln. Also wieder ab ins Auto. Unser Ziel: Der Forgotten World Highway. Mitten drin die Republik Whangamomona. Ein kleiner Ort, der sich 1989 für unabhängig erklärte, weil er durch eine Verwaltungsreform von den Karten der Provinz Taranaki geflogen ist. Seitdem waren Hunde und Kühe Präsidenten, und einmal im Jahr gibt es nicht nur eine Parade durchs Dorf, sondern auch Wettkämpfe wie Gummistiefel-Weitwurf. Was für schräge Vögel, da wollen wir hin!





Im Rückspiegel verschwinden die Vulkane des Tongariro Parks. Schade, dass wir ihnen nicht näher gekommen sind. Wir rollen wieder hinab in tiefere Lagen. Next Stop - Taumarunui. Wir müssen tanken und einkaufen. Entlang des Forgotten World Highways soll es keine Tanken geben und Supermärkte bestimmt auch nicht. Nachdem wir alles Nötige beisammen haben, machen wir gleich auf dem Parkplatz Mittag. Ein ältere Frau mit einem kleinen Kind kommt vorbei, Oskar winkt und grüßt von Weitem und erfreut die zwei. Wenig später sitzen Oskar und ich immer noch draußen, Haimon ist derweil tanken gefahren. Die alte Frau kommt wieder. Etwas abgerissen sieht sie aus, hm, denke ich, ich sollte vielleicht mal lieber mein Portemonaie einstecken, Handy wegpacken. Wer weiß, was die will. Im nächsten Moment könnte ich vor Scham im Boden versinken. Strahlend übergibt sie Oskar eine Zuckerstange, ist ja bald Weihnachten. Sie streichelt ihn sanft über das flachsblonde dünne Haar, freut sich mit ihm, fragt kurz, wo wir herkommen, wünscht uns eine Gute Reise, Merry Christmas und winkt Good bye. Dann ist sie wieder weg. Immer wieder erleben wir ähnliche Momente. Und verlieben uns immer mehr in die Leute hier...

Der Forgotten World Highway macht seinem Namen alle Ehre. Wir tauchen ein in grünes, endloses Hügelland. Am Horizont baut sich der Ruapehu auf, und auch den Mount Tongariro und den Mount Ngauruhoe kann man erahnen. Zu Beginn ist der Highway asphaltiert, doch bald holpert man auf Schotterpisten dahin. Wir müssen links ranfahren, als uns eine Kolonne Wohnmobile entgegenkommt. Und wenig später wieder bremsen, denn der Tunnel vor uns ist nur für einen gemacht: Den Camper auf der Gegenfahrbahn, die praktisch nicht mehr existiert oder uns. Der Klügere gibt nach ;-) Auch wir passen tatsächlich durch das enge Loch im Felsen. Ein schönes Gefühl, als wir wieder draußen sind!




In Whangamomona angekommen, machen wir erstmal Halt am Hotel. Hier soll es Stempel in den Pass geben. Und gutes Bier. Bis zum Campingplatz sind es nur noch paar Meter, auf denen wird schon keiner stehen und Haimon kontrollieren. Und es ist so lustig hier. Die Wände tapeziert mit allen möglichen Zeitungsausschnitten, alten Bildern der ersten Bewohner, auch Oskar findet's gut und erkrabbelt sich alle Ecken, schließt Freundschaft mit dem Haushund und guckt nicht schlecht, als draußen eine Herde Schafe mitten auf der Straße vorbeigetrieben wird. Wir folgen wenig später den wolligen Viechern, ich mit Oskar zu Fuß und Haimon im Camper. Der Campingplatz ist leer, eine idyllische Wiese auf dem Grundstück einer alten Schule. Eine Dusche gibt's auch, wunderbar. Und billig war's, 20 Dollar für alles. Oskar lernt nebenher noch fliegen, als er auf dem Trampolin sitzt und Haimon so draufhaut, dass der Kleine den Abflug macht und sich diebisch drüber freut.






Am Abend bekommen wir Nachbarn. Ein älteres neuseeländisches Paar, das und spontan zu sich nach Hause einlädt. Leider kommen wir nicht mehr in Tauranga vorbei, da waren wir ja schon bzw. haben es links liegen gelassen. Wir laden sie dafür zu uns ein, tauschen Adressen und Nummern, denn sie wollen im Juni nach Deutschland. So schnell geht das hier. Die Kiwis sind so herrlich unkompliziert! Wir spazieren noch etwas die kleine Straße entlang, Oskar hockt mitten auf der Fahrbahn und spielt mit Steinchen. Nix los hier. So ruhig, bis auf das Gemuhe der Kühe und das Blöken der Schafe. Eine vergessene Welt eben!

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