Viel zu spät begreifen viele die versäumten Lebensziele: Freude, Schönheit der Natur, Gesundheit, Reisen und Kultur. Darum, Mensch, sei zeitig weise! Höchste Zeit ist's: Reise, reise! - Wilhelm Busch

Donnerstag, 29. Mai 2014

Hoch hinauf!

An diesem Morgen muss ich noch nicht einmal die Gardine zur Seite ziehen, um zu sehen, wie das Wetter ist. An diesem Morgen ist es im Camper schon so hell, als ob jemand abends vergessen hätte, das Licht auszuknipsen. Sonne! Ja, Sonne!!! Ganz aufgeregt springe ich aus dem Camper, laufe um ihn rum, um einen Blick auf die Berge zu werfen. Und da sind sie, schöner noch als am Abend, da ist er, der Gletscher, lächerlich, was man nur sieht, wenn man direkt davor steht, von hier, von Weitem, da sieht man erst die gigantische Länge. Wir frühstücken nicht lange, wir müssen los. Der Helikopter wartet!



Im Büro der Fluggesellschaft wird uns mehrmals gesagt, dass wir uns warm anziehen sollen, schließlich geht es hoch hinauf in den Schnee. Oskar wird eingepackt wie zuhause im Winter, und auch wir ziehen vorsichtshalber eine Schicht mehr an. Und schwitzen schon, bevor wir überhaupt zum Flugplatz gefahren werden. Mit von der Partie ist ein älteres, holländisches Pärchen. Wir bekommen unsere Kopfhörer in die Hand gedrückt, auch Oskar muss die aufsetzen. Dann landet auch schon unser Heli, die Passagiere steigen aus. Und eine von ihnen muss gestützt werden, sieht gar nicht gut aus. Das will man natürlich nicht sehen. Aber das war unsere Rettung. Zu warm, viel zu warm sei es ihr gewesen, wird uns erzählt, das hat der Kreislauf nicht mitgemacht. Im T-Shirt steht derweil der Pilot da und wartet auf uns. Hä? Also nicht kalt? Wir ziehen schnell unsere zusätzliche Schicht wieder aus. Oskar lassen wir aber so. Armer kleiner Mann. Aber das sehen wir erst später. Erstmal haben wir damit zu tun, unsere Plätze einzunehmen. Ich muss in die undankbare Mitte neben der Holländerin und Haimon mit Oskar auf dem Schoß. Der Holländer darf vorn sitzen. Nichtsdestotrotz sieht man aber auch in der Mitte gut, der Heli ist fast voll verglast. Wir nesteln noch rum, an Oskar, seinen Keksen, die er seelenruhig knabbert, als wäre der Hubschrauber schon immer sein Zuhause, seinem Wasser, unserer Kamera und verpassen völlig den Start. Nix Bauchkribbeln, nix Schaukeln. Federleicht schweben wir dahin, die Wiese wird kleiner, die Häuser nehmen Speilzeugausmaße an, während die Hänge bedrohlich näher kommen, die Felsen zum Greifen nah sind. Und sich vor uns eine Landschaft öffnet, die ihres Gleichen sucht...

Hallohallohallo?!

Auf geht's!




Wir schweben über den abertausenden Seracs, Gletscherspalten, blütenweißen Schneefeldern. Bläulich schwimmerndem Eis. Immer höher werden die Gipfel um uns herum. Eis, Fels, Schnee.Wir halten direkt auf ihn zu, direkt vor uns erhebt sie sich, die Westflanke des Mount Tasman, unweit die des Mount Cook. Wir haben längst die 3.000er Marke überschritten. Fast können wir die Gipfel berühren, dann drehen wir ab. Oskar scheint alles immer weniger zu interessieren. Ziemlich teilnahmslos mümmelt er an Keksresten. Es ist seine Vormittagsschlafzeit. Oder es ist ihm zu warm im stickigen Heli. Zu dünn die Höhenluft. Denn er blinzelt ganz komisch, dass uns ganz anders wird. Plötzlich ist die Eiswelt da draußen völlig uninteressant. Wir tätscheln ihn, nein, nicht einschlafen, hörst Du, hey, was ist los, Ooooskar. Er guckt, bewegt die Lider in Zeitlupe, guckt wieder weg. Der Pilot schaltet blitzartig und dreht die Frischluftdüse auf. Und wir atmen durch. Recht schnell sieht unser kleiner Mann wieder besser aus. Und wird gleich das erste Mal Schnee anfassen.



Mount Cook

Mount Tasman





So federleicht, wie wir gestartet sind, landen wir auch. Auf reinstem Weiß, das gar nichts mehr mit dem Schutt zu tun hat, der weiter unten den Fox Gletscher bedeckt. Wie Kinder bewerfen sich die Holländer mit Schneebällen, gar nicht so leicht zu formen aus diesem harten Schnee. Dass während der zehn Minuten, die wir hier oben verbringen, die Rotorblätter aus Sicherheitsgründen weiterlaufen und lärmen, stört nicht. Zu abgefahren ist das alles, trotz, dass hier ständig Hubschrauber stehen, wirkt die Landschaft seltsam unberührt, so, als wären wir die Ersten. Neben uns landet ein anderer Heli. Die Leute sind ebenso verzückt wie wir. Nur einer weiß nicht so recht, was er von allem halten soll. Oskar sitzt unwirsch im Schnee, stochert ein bisschen mit dem Finger rum und muss die Augen arg zusammenkneifen, ihm passt ja leider seine Sonnenbrille gar nicht. Lieber wieder auf Papas Arm, da fühlt er sich grad sicherer als unten auf dem komischen Weiß, dass auch noch kalt ist und später nass wird...


Familie mit Mount Tasman



Der Rückflug geht nah vorbei am Wanderweg, den wir tags zuvor gelaufen sind. Hier wird einmal mehr ersichtlich, wie wenig die Wanderer nur sehen vom Gletscher. Schade. Wir jedenfalls sind heilfroh, geflogen zu sein. Und würden es jederzeit wieder machen. Diesmal aber alle, auch Oskar, nur im T-Shirt!

Da, wo auf diesem Bild der Gletscher endet, dort endet für Wanderer auch der Weg...


Wieder festen Boden unter den Füßen, schlendern wir am Mirror Lake entlang, indem sich die Gipfel spiegeln sollen. Zu viel Wind kräuselt die Oberfläche, und außerdem ziehen Wolken auf. Wir grinsen nur. Und setzen uns ins Café. Hier treffen wir einen Deutschen wieder, den wir oben am Farewell Spit kennen gelernt hatten. Er will in allen Nationalparks wandern und außerdem den höchsten kommerziellen Fallschirmsprung der Welt wagen, mit Sauerstoff aus 6.000 Meter Höhe. Heute ist sein Tag. Wir drücken ihm die Daumen, dem Deutsch sprechenden tschechischen Kellner sein Trinkgeld in die Hand und setzen uns wieder in den Camper. Ein kurzes Stück Weg liegt vor uns. Vielleicht 1,5 Stunde Fahrt bis zum Lake Paringa. Vorher noch schön Lachs kaufen auf einer Lachsfarm, auf der die armen Viecher im Kreis schwimmen müssen. Lecker waren sie zugebenermaßen trotzdem ;-)

Am See wagen wir es alle doch. Baden! Das Wasser ist wirklich frisch, die Sandflys auf der Wiese hinterhältig, aber das Wetter noch so schön, dass wir nicht anders können. Wir treffen nette Deutsche, die ein halbes Jahr unterwegs sind, sich dafür einen Camper gekauft haben, der mit allerlei selbst gebastelten Extras ausgestattet ist. Coole Sache. Oskar schließt sofort Freundschaft mit dem 5jährigen Sohn Paul, der sich auch gleich rührend kümmert. Wir treffen auch jene Holländer wieder, die uns am Gillespies Beach aufgefallen sind in ihrem Rallye Dakar Mobil mit den vielen Länderkennzeichen drauf. Man merkt schnell, dass es hier unten nicht viele Straßen gibt. Irgendwie sieht man immer diesselben Menschen! Des Nachts hören wir dann neben unserer lieben Morepork-Eule auch endlich mal wieder einen anderen Vogel. Nicht weit weg ruft ein Kiwi! Mit einem mehr als zufriedenen Grinsen schlafen wir ein...

Laufen an einer Hand. Noch bisschen wacklig!


Montag, 26. Mai 2014

Federbällchen süß-sauer ;-)

Der Wettergott hat uns verlassen. Auch an diesem Morgen hängen dicke graue Wolken so tief an den Berghängen, dass man mit ihnen kuscheln könnte. Der Heliflug rückt weiter in die Ferne, wir  verschieben wieder um einen Tag. So wird das nix. Also schnüren wir wieder die Wanderschuhe und reihen uns ein in den Gänsemarsch der Touristen, hin zum Fox Gletscher. Hier ist noch mehr los als am Franjo, denn hier ziehen zahllose Bergschulgruppen los, um auf den Füßen des Eisriesen rumzutrampeln und mit Eispickeln und Steigeisen auf ihn einzupieksen. Ein bisschen viel Theater, finden wir. Mag sein, dass die kleineren Führungen über den Gletscher und teils auch in ihn hinein wirklich aufregend sind, aber wenn wir diese Menschen sehen, die schon in normalen Schuhen über jeden dritten Stein stolpern und nach fünf Minuten so durchgeschwitzt sind vom Laufen wie nach einem Marathon, dann sind wir froh, nur ganz normal bis zum Aussichtspunkt zu wandern bzw. zu spazieren. Oskar erkrabbelt sich sogar manchen Meter und grabscht begeistert nach den vielen runden Steinen. So könnte man die lahmen Bergschüler vielleicht antreiben... aber lassen wir das ;-)



Vom Fox Gletscher sieht man deutlich mehr. Wir beobachten einen Bergführer und seinen Schüler, wie sie sich vorantasten auf dem Eis, zwischen meterhohen Seracs hindurch. Der Gletscher schimmert in der Tat bläulich, ist aber generell auch sehr grau und verdreckt vom Schutt, der die Hänge hinabpurzelt. Vom Himmel tropft es derweil mal wieder. So ist der Rückweg schnell erledigt und die Einkehr in eine urige Kneipe in Fox besiegelt. Und hier, am Ende der Welt, hören wir doch nicht etwa ein fragendes "Haimon?" aus der Ecke, die wir zielstrebig ansteuern, weil Plätze frei sind. Ein Kommilitone. Unglaublich. So weit weg. Die Welt ist ein Dorf!




Nach dem Essen sieht die Welt noch grauer aus. Und wieder rettet uns ein Flyer das Programm. Ich hatte seit unserer Ankunft immer wieder dieses flauschige Etwas gesehen, das uns mit kleinen Knopfaugen bettelnd von Plakaten und Flyern anschaute, so als wolle es sagen: Besuch mich! Also folgten wir der Stimme zurück nach Franz Josef ins West Coast Wildlife Center, die geschützte Heimat von jungen Kiwis, die in freier Wildbahn eher dem Possum zum Opfer fallen, als dass sie ihren ersten Geburtstag erleben. Nur 5 Prozent der hier heimischen, freilebenden Rowi-Kiwis, die kleinsten der flugunfähigen Vögel, schaffen es, erwachsen zu werden. Mitarbeiter des Center klauben nun die Eier auf, die Jungen schlüpfen geschützt und wachsen erstmal ohne Feinde auf, bis sie groß genug sind, um sich draußen durchzusetzen. Klappt wohl ganz gut!

Wer kann diesen Augen widerstehen?! Foto: west coast wildlife center
Nachdem wir auf der Nordinsel im Trounson Forest ganz nah neben zwei Kiwis standen, sie aber aufgrund der Dunkelheit nur gehört haben, wollte ich hier die possierlichen Tierchen endlich sehen. Im Nachthaus soll es vier geben, also rein, Oskar in der Manduca sieht auch schon sehr müde aus. Falsch. Er ist plötzlich sehr sehr wach und sehr sehr böse über die plötzliche Dunkelheit, das Geraschel am Boden.  Und tut dies kund, lautstark, ihm doch egal, dass Schilder immer wieder mahnen, sehr leise zu sein, da die Kiwis sich sonst aufregen. Und das tun sie auch gleich. Einer der Federbällchen kommt angeschossen wie eine Kanonenkugel und zetert fürchterlich, was Oskar veranlässt, zurückzukeifen, was wiederum den Kiwi anspornte, noch mehr sein Revier zu verteidigen. Rückzug, und zwar schnell. Zum Glück galt unser Eintritt für den ganzen Tag, wir durften raus und rein, so oft wir wollten... und mussten erstmal einen Zwangsspaziergang einlegen, um den wildgewordenen Kiwi und einen ebenso aufgeregten Oskar zu beruhigen...

Wir haben es dann noch geschafft. Oskar hängt friedlich schlummernd in der Manduca und wir verzückt über der Absperrung des Kiwi-Geheges. Was sind die süß! Keine Spur mehr sauer, sondern nur noch niedlich, wie sie mit ihren langen Schnäbeln im Laub wühlen. Unbedingt empfehlenswert! Auch der Rest des Centers, in dem man viel erfährt über Gletscher, die Gegend, die Berge. Wieder mal ein rund um gelungenes Museum mit sehr hohem Unterhaltungswert, wenn auch manchmal unfreiwillig ;-)

Als wir aus dem Museum kommen, staunen wir nicht schlecht. Es hat aufgehört zu regnen! Als wir Richtung Fox fahren, trauen wir unseren Augen nicht. Die Sonne kommt raus! Also auf zum Gillespies Beach. Die Anfahrt ist zwar kurvig, aber nicht wirklich wild. Der kostenlose Platz ist zwar auch nur ein kleiner, schon sehr gut gefüllter Parkplatz mit Plumpsklo und Wasserstelle, aber die Lage! Vor uns, nur hinter einer kleinen Düne versteckt, rauscht das Meer. Hinter uns tauchen plötzlich Berge auf, schneebedeckte Gipfel, mit dem Mount Cook und dem Mount Tasman die zwei höchsten Neuseelands. Erst sind es nur kurze Augenblicke, dann weichen die Wolken immer mehr. Wir müssen im Paradies sein! Nach dem Abendessen laufen wir nochmal allein zum Strand, wo sich schon eine kleine Menschenschar eingefunden hat, um den Sonnenuntergang zu sehen. Wir kuscheln uns aneinander, der starke Wind ist kalt, doch das Panorama einzigartig. Und die Hoffnung groß, dass wir morgen doch noch abheben können...



Mount Cook


Mount Tasman im letzten Sonnenlicht

Dienstag, 20. Mai 2014

Gletscher im Nebel

Die Berge hinterm See haben es ja schon angekündigt: Wir nähern uns den neuseeländischen Alpen, jener Gegend, aus denen Outdoor-Träume gemacht sind: Schneebedeckte Gipfel, zackige Grade, bis in den subtropischen Wald hineinragende Gletscher, kristallklare Seen, in denen sich die höchsten Erhebungen spiegeln, wilde Flüsse, direkt gespeist vom Eis hoch oben. Wenn man Glück hat, sieht man das alles. Wir jedoch fahren mitten hinein in die Waschküche, die sich die Hänge hinabwalzt. Aber wir sind froher Hoffnung, schließlich haben wir mehrere Tage eingeplant, bis zu drei können wir ausharren, um auf blauen Himmel zu warten, darauf, mit dem Heli einmal zum Mount Cook zu fliegen und mitten im Sommer Schneebälle zu werfen oben auf den Anfängen der Gletscher. Wir machen noch kurz Halt am Lake Mapourika und suchen das angekündigte Klo - vergebens. Mensch, und das in Neuseeland, wo uns bisher an fast jeder Ecke ein stilles Örtchen erwartet hat, inklusive Papier und manchmal auch Duftsteinen. Nur hier nicht. So ein Mist... Also rutschen wir unruhig hin und her auf dem Autositz, bis wir endlich in Franz Josef Village ankommen. Herrlich, diesen Namen zu lesen, etwas absurd ist das schon. Der Ort und der dazugehörige Gletscher weiter draußen sind tatsächlich nach dem österreichisch-ungarischen Herrscher benannt. Davor hieß der Gletscher Julius. Ob das an Caesar erinnern sollte, weiß ich nicht. Sicher ist: Das Wetter wird immer schlechter. Wollen wir noch irgendwas vom Gletscher sehen, heißt es ab aufs Klo, wieder rein ins Auto, raus zum Gletscher. Der ragte mal fast bis ins Dorf, hat sich aber mittlerweile sehr weit zurückgezogen. Jetzt müssen Touristen sogar vom Parkplatz aus noch ein gutes Stück laufen, um den Eisriesen zu sehen. Große Schilder warnen vor der Gefährlichkeit dieses Spaziergangs. Tatsächlich verläuft der Weg über steinigen Boden, Überreste des Gletschers und der Fluten, die nach starken Regenfällen hier herunterrauschen. Hin und wieder muss man auch durch einen Bachlauf hüpfen. Es tröpfelt schon und wir hoffen, noch vor irgendwelchen Sturzbächen heil hin und zurück zu kommen. Was wir in dem Moment noch mit genügend Spott denken, wurde ein paar Tage später Realität: Touristen kamen nicht mehr zum Gletscher, weil der Fluss zu stark angeschwollen war.





Während wir mit gefühlt hundert anderen Menschen im Gänsemarsch durchs Tal schreiten, schwirren über uns die Helikopter im Minutentakt. Doch sie fliegen nur die Gletscherkante an, nicht viel weiter kann man auch vom Boden aus gucken. Vom unschuldigen Weiß, in das sich der Gletscher hüllen soll, ist nichts zu sehen: Die dominierende Farbe ist wie bei den Alpengletschern schuttgrau. Hier und da glitzert es noch leicht bläulich, doch viel ist es nicht. Das, was der Franz Josef Gletscher den Spaziergängern zeigt, ist nicht wirklich spektakulär, finden wir. Es ist schön, ganz nett, aber das soll alles sein? Mich beeindruckt eher das Tal an sich. Hier WAR er mal, der Gletscher. Unglaublich, wie sehr er sich zurückgezogen hat. Rückzug ist auch für uns das Gebot der Stunde, nachdem Oskar ein paar Steinchen geworfen hat - es regnet jetzt stärker und ganz nass wollen wir nicht werden. Je näher wir dem Parkplatz kommen, desto weniger Regen fällt. Der Gletscher mag uns nicht!




Wir fahren weiter nach Fox. Der Fox Gletscher ist der zweite im Bunde, kleiner zwar, aber man kann angeblich näher ran. Das wollen wir am nächsten Tag ausprobieren, wenn wir schon nicht Heli fliegen können. Denn die Wetterprognose sieht immer noch übel aus. Wir mieten uns in einem Campingplatz ein, der im Reiseführer als "einfach" betitelt ist und stehen dann doch vor einem Top Ten. Er ist immer noch recht einfach, aber dafür dreimal so teuer. Schnell steht fest: Sollte das Wetter morgen auch nur etwas besser sein, wagen wir die kurvige Fahrt zum Gillespies Beach, wo es einen kostenlosen DOC-Platz gibt. Immerhin einer hat Spaß: Oskar. Er hetzt durch den kleinen Spielplatz, schaukelt, rutscht und quietscht. Ich mache derweil das Abendessen und fühle mich fast wie im Tongariro Park, so mufflig erscheinen die meisten in der Küche. Ein deutsches Pärchen treffen wir noch. Sie sind mit ihrer kleinen Tochter per Rad und Anhänger unterwegs. Ui. Neuseeland ist alles, aber kein Fahrradland, finden wir, selbst auch Fans von Chariot und Co. Alles ist aufs Auto ausgelegt, auch die Distanzen. Aber die drei nehmen es sportlich und haben Zeit. Chapeau!

Kaninchenstall Top Ten

Samstag, 17. Mai 2014

Go West!

Nachdem die Sandflies uns unser allmorgendliches Frühstück im Freien verdorben hatten, musste der Wettergott auch noch einen drauf setzen. Über der Buller Gorge hatten sich schon dicke Wolken gesammelt, die bedrohlich in den Himmel ragten. Und dann schüttete es, was es konnte. Wir saßen zum Glück im Camper, rollten schon wieder auf der Straße gen Westen. Und bekamen einen Vorgeschmack auf das, was uns dort erwarten sollte - Regen. Nicht, dass wir nicht damit gerechnet hatten. Die Westküste Neuseelands ist dafür bekannt und eine der nassesten Regionen dieser Welt.

Buller Gorge im Regen

Wolkige West Coast

Regen? Egal. Ich fahr weiter! ;-)

Allerdings hatten wir sogar etwas Glück mit dem Wetter. Denn an unserem ersten Ziel des Tages, den Pancake Rocks, öffnete der Himmel erstmal seine Schleusen. Eigentlich wollten wir etwas wandern im Paparoa National Park, der Canyon und seine Kalkfelsen sahen auch wunderschön einladend aus, doch Petrus sagte: Nein! Somit verlegten wir auch das Mittagessen in den Camper. Der hatte anschließend nasse Scheiben, von innen und außen... Pünktlich, als die Teller leer waren, kam jedoch Klärchen wieder raus und wir spazierten trockenen Fußes und mit Sonnenbrillen den kleinen Weg entlang, der durch die Felsen führt, die tatsächlich aussehen wie übereinander gestapelte Eierkuchen. Diesmal war der Weg aber richtig gut ausgebaut - und da die Rocks am Highway liegen, war dementsprechend viel los. Hier begegneten wir zum ersten Mal den Herden chinesischer Touristen, die erst brav im Bus sitzen und draußen, kaum dass sie losgelassen, schnatternd und alles fotografierend die Sehenswürdigkeiten stürmen. Dazu gehören auch blonde, kleine Kinder. Oskar dürfte mittlerweile in unzähligen Familienalben gelandet sein... Wir schnuppern derweil die frische Meeresluft, freuen uns über diesen etwas rauen Landstrich, das laute Rauschen der Brandung, die manchmal durch so genannte Blowholes den Rest der Gischt bis zu uns hinauf trägt. Willkommen im Westen!







Das eigentliche Ziel des Tages ist für uns der Mahinapua See. Wunderschön gelegen mitten im Grünen nahe den Bergen, die sich jedoch lange in Wolken hüllen. Weiches, durch Wurzeln braun gefärbtes Wasser, in das Oskar nur zu gern gehüpft wäre, was er durch unruhiges Zappeln in der Manduca und quengelnde Laute kund tut. Nix da, baden dürfen nur die Großen. Einen Swimmer's Beach soll es laut Karte hier ja geben, fein. Man könnte auch direkt am Steg ins Wasser gehen und von dort aus die knackigen Hobby-Rugbyspieler auf der Wiese beobachten. Nix da, wir wandern ;-) Und nehmen mal wieder den falschen Weg, schlagen uns durch urwaldartiges Dickicht, stehen vor morastigen Uferstückchen, selten genug, denn meist ist alles schilfbewachsen und wenig einladend zum Baden. Da tun wir etwas, was wir sehr selten tun: umkehren. Und stehen wenig später auf einem breiten, sehr breiten Wanderweg, einfach mal ein paar Meter weiter entfernt vom Trampelpfad, der uns so verführt hatte... Wir kommen schließlich noch an an dem Beach, der seinen Namen aber wirklich nicht verdient hat: der Strand beschränkte sich auf vielleicht einen Quadratmeter freies Ufer. Genug für Oskar, um im Dreck zu buddeln, genug für jeweils einen von uns, um schwimmen zu gehen. Damit war auch die Frage nach einer wieder mal notwendigen Dusche geklärt ;-)

Der Strand *räusper*

Baden mit Panorama


Abends leuchtet uns der Vollmond an, die Morepork-Eule ruft, Sandflies hat der leichte Wind verjagt, der Camper eines jungen Pärchens am anderen Ende der Wiese wackelt und quietscht verdächtig und die Wolken haben sich verzogen. Ganz oben auf den Bergen glitzert es noch. Schnee! Gletscher! Sie sind nicht mehr weit!

Donnerstag, 15. Mai 2014

Neuseeländischer Schuhplattler

Neben wunderschönen Landschaften bleiben von unserer Reise auch manche Geräusche einfach unvergesslich für uns. Da ist dieses Knacken, Knuspern, auf Sächsisch auch schnurpsen genannt, wenn Oskar in eine Waffel namens Baby Mum-mum beißt, die er vorgehalten bekommt und ungehalten ergrabscht, wenn er schon vorm Ziel im Auto quengelig wird. Und dann ist da der Neuseeländische Schuhplattler. Ein ganz spezielles Geräusch gepaart mit Gehopse, das wohl jeder Tourist schonmal produziert hat, kaum dass er die Sandfly-verseuchte Wiese betreten hat. Denn da erheben sie sich, die Biester, besetzen die besten Plätze auf Waden, Oberschenkeln, gnadenlos wird jedes Stückchen freie Haut aufgespürt, zerbissen, man kommt kaum hinterher mit dem Geklatsche auf nackte Beine, Arme, ja, auch Füße. Dass man dabei ziemlich lächerlich aussieht, ist egal. Mindestens die Hälfte der anderen Leute in der Nähe hopsen und klatschen ähnlich verzweifelt herum. Die Steigerung ist dann ein gequältes Jaulen, wenn die Fliegen auch noch Augen und Nasenlöcher heimsuchen. Gibt es nicht? Doch. Wir haben es erlebt. Auf unserem Zwischenstop Richtung Westküste, auf einer wunderschönen Wiese zwischen Bergen nahe der Buller Gorge. Davon gibt es nicht mal Videos. Denn selbst ich fand die Viecher hier übel, obwohl sie mal wieder mehr über Haimon herfielen als über mich...

Die Idylle trügt...

Die Zeit am Farewell Spit war also schon wieder vorbei. Hier oben hatte es mir so richtig gut gefallen. Hier oben war ich angekommen ganz unten am Ende der Welt. Hier oben werde ich mal wieder sein. Und wenn es erst in vielen Jahren ist, um Oskar das zu zeigen, was er nicht erinnern kann und doch erlebt hat. Und so ist es auch ein wenig Wehmut, als wir uns verabschieden. Von Jens und Antje und ihrem Sohn, von den jungen, deutschen Work and travel Mädels, den Hügeln, den eitlen Pfauen, den Kühen und Schafen, den Felsen. Nächstes Ziel: die Westküste. Es wird eine lange Fahrt, die wir teilen werden. Einmal mit einem Halt, um einzukaufen und Müll loszuwerden. Denn den musste man wieder mitnehmen. Uns quellen schon manche Beutel über, igitt. Und mal wieder Zivilisation ist auch nicht übel. Oskar krabbelt durch ein schniekes Einkaufszentrum, verpasst um ein paar Stunden den Besuch von Santa Claus, der uns wieder das näher rückende Weihnachtsfest in Erinnerung ruft. Dann geht es aber schon weiter auf dem Highway, bis eben zu jenem Sandfly-verseuchtem DOC-Campingplatz. Wir flüchten über eine neue Hängebrücke in den Wald, erhoffen uns ein paar Reste der alten Goldminen hier in der Gegend zu sehen. Doch selbst das gelingt nicht, zum ersten Mal stimmt irgendwas mit der Ausschilderung nicht. Also zurück zu den Biestern.

Wirf! Triff die Sandfly!

Wir haben tatsächlich noch draußen gegessen. Die Massen an Fliegen im Camper erschlagen, zerquetscht, mit Mückenspray ertränkt, damit Oskar friedlich schlafen kann. Haben mit Wein und Bier und jeder Menge stinkender Dettol-Olivenöl-Mischung auf freiliegender Haut tatsächlich draußen ausgeharrt, bis die Dämmerung die meisten Sandflies heimgeschickt hat. Doch als wir am nächsten Morgen aufwachen und die schwarze Wolke draußen über den Gräsern vorm Camper sehen, bleiben wir drin. Und das ist kein Spaß, zu zweit mit einem hibbeligen Kind auf 2x1,70m zu frühstücken und auf dem Kaffee zu bestehen, der dann aber natürlich immer in sicherer Entfernung zu Oskar getrunken werden muss. Doch alle mal besser als dabei noch zu schuhplattlern ;-)

Mittwoch, 14. Mai 2014

Pause mit Robbe

Manchmal mag Oskar sein Essen nicht. Dann kräht er, schimpft, strampelt, zappelt, Stimme und Körper sagen eindeutig "Bäh!". Meist setzen wir uns jedoch durch und überzeugen ihn, doch wenigstens mal zu kosten. Oft sieht er dann ein, dass alles gar nicht mal so "Bäh!" ist. Das hofften wir auch, als wir uns am einzigen windfreien Platz am Wharariki Beach niedergelassen hatten. Hinter einem großen Felsen, etwas weg vom Meer, zwischen Steinen und feinem Sand und im Schatten. Kurz zuvor hatte eine andere Gruppe hier gerastet und nix war passiert, das stimmte optimistisch. Denn wir sind nicht allein. Etwa 5 Meter weiter weg von uns hatte sich ein Robbenmännchen zum Mittagsschlaf hingelegt. Und schnarchte vor sich hin. Mitten in diese Idylle platzt nun Oskar. Schon auf Haimons Schoß fängt es an, sein Gemeckere, nein, das Lätzchen will ich nicht, nein, den Löffel auch nicht, der fliegt gleich mal im hohen Bogen in den Sand. Ich filme ein bisschen und ermahne Oskar noch, dass er die Robbe wecke, wenn er so weitermacht. Zwecklos. Beim ersten Löffel erhebt sich die Sirene, laut und durchdringend, "Bääääääääääääääh!". Die Antwort bleibt nicht aus: Ein Schnauben, ein Grunzen, ein Klatschen von Flossen. Da steht es, das Robbenmännchen. Ja, es steht, auf seinen Vorderflossen und macht sich im nächsten Moment auf, den Ruhestörer persönlich zu stellen. Flapp, flapp, flapp, so schnell kann eine Robbe sein. Wir stolpern ein paar Felsbrocken hinauf und hoffen, dass das Vieh nicht auch noch schnell klettern kann. Kann es vielleicht, will es dann nicht, zu jämmerlich müssen wir da oben aussehen...

Ganz rechts liegt sie, die Robbe...

Nur die Manduca liegt noch auf dem Felsen...

Robben findet man überall am Wharariki Beach. Nur sieht man sie oft schlecht, zu sehr gleichen sie dunklen Felsen. Mehr als einmal wäre vor allem Haimon den Tierchen fast aufs Fell getreten, weil er mit Oskar vorn in der Manduca nicht genau sieht, wo er hintritt. Oder die Robbe liegt gut getarnt in Schulterhöhe an einem Höhleneingang, in den wir natürlich unbedingt mal reinmüssen. Da waren die Rutschpartien auf den Dünen schon harmloser. Schon am Vortag hatten wir ein altes, abgerissenes Pappschild gefunden. Das musste nun dran glauben. Als Surfbrett. Haimon stapft als erster die Düne hinauf und setzt sich siegessicher auf das Schild. Rutscht einen halben Meter und bleibt stecken. Strampelt, rutscht wieder einen halben Meter, bis er wieder strampelt und flucht. Ich hatte mehr Spaß. Davon gibt es keine Bilder. Nur Videos. Aus Rücksicht auf die Betroffenen werden die aber nicht veröffentlicht ;-)


Wanderung zum anderen Ende des Strandes. Unten rum geht's nur bei Ebbe.










Am Nachmittag wollen wir nochmal ein bisschen wandern. Ziel: der Leuchtturm. Von dort soll man einen schönen Blick auf die Düne des Farewell Spit haben. Dachten sich auch zwei Jungs aus unserem Camp, die wir spontan mitnehmen. Sie müssen allerdings hinten im Camper damit klarkommen, entweder aufm Bett hin und her zu schaukeln und sich irgendwo festzukrallen oder im Stehen all die Schlaglöcher der Straße auszubalancieren. War lustig, zumindest für uns :-) Oskar zeigt sein Talent zum Balancieren wenig später beim Anstieg hoch zum Leuchtturmhügel. Über Stock und Stein, an Papas oder Mamas Hand, wackelt er den Weg hinauf. Oben angekommen, wühlt er im Sand, probiert verbotener Weise Steinchen, während wir die Aussicht bewundern. Dort das endlose, tiefblaue Meer, da die riesige Düne, auf der anderen Seite grüne Hügel und bizarre Felsen. Schade, dass wir morgen weiter müssen...