Viel zu spät begreifen viele die versäumten Lebensziele: Freude, Schönheit der Natur, Gesundheit, Reisen und Kultur. Darum, Mensch, sei zeitig weise! Höchste Zeit ist's: Reise, reise! - Wilhelm Busch

Freitag, 21. Februar 2014

Singapur, die erste

Fünf Uhr nachmittags in Singapur. Eine lange Schlange vor der Passkontrolle. „Ei-daaaa!“ ertönt es immer wieder – Oskar in Hochstimmung. Er krabbelt durch die blitzsaubere, großzügige und begrünte Halle, als wär‘s sein Wohnzimmer. Fläzt wenig später wie gewohnt im Buggy, während Mutti sauer ist, weil die Singapore-Airlines-Schnepfe am Schalter meint, ich hätte nur nen Hotelvoucher gebucht und bekäme keine Extra-Eintritte dazu, weil ichs nunmal nicht so gebucht hätte. Aber der Transfer in die Stadt, ja, der sei dabei und käme dann, „gleich“. Wir warten fast ne halbe Stunde, in der ich einen Reisebürofreund in Deutschland anrufe und rumzetere, weil ich mich um mein Geld gebracht sehe. Dumm, dass ich Unrecht habe. Muss wohl nicht aufgepasst haben bei der Buchung. Na gut. Endlich kommt unser Kleinbus, der uns bis ans Hotel bringen soll. Hm… was is nur aus uns geworden, uns, den Abenteurern…lassen uns vor die Tür kutschieren ;-)

Die Fahrt ins Zentrum zeigt vor allem eines: Viel Grün. Bäume neigen sich über die Straßen, ja, es sind Alleen, neben denen sich riesige Golfplätze erstrecken. Und wir erspähen das Marina Bay Sands, das Luxushotel schlechthin mit seinem gigantischen Pool. Und spüren schon Vorfreude auf unsere allerletzte Nacht unserer Reise. Auch wenn die noch weit weg ist… Wir landen letztlich im Hotel Miramar am Fluss, ich vergess vor lauter Aufregung meine Kreditkarten-Pin für einen Moment, während Oskar ungeniert mit den asiatischen Schönheiten hinterm Tresen flirtet, die in kollektives Winke-Winke und Gekicher verfallen, sobald er in ihre Richtung blinzelt. Und obwohl wir es nicht bestellt haben, steht wenig später der Hotelboy an unserer Tür und schiebt ein süß ausgestattetes Kinderbettchen ins Zimmer. Nett hier!

An Schlaf ist aber erstmal nicht zu denken. Wir wollen uns auch gar nicht so sehr an die Zeitverschiebung anpassen, sondern lassen uns eher treiben, hinaus in die schwülwarme Nacht, mit einem putzmunterem Oskar im Buggy geht es an die Quays, auf eine erst ewig erscheinende Suche nach einem Geldautomaten und dann nach einer Einkehrmöglichkeit, die auch dem angschlagenen/nervösen Magen Haimons Rechnung trägt. Wir landen in einem Thai-Restaurant auf der Terrasse, Oskar nippt begeistert an der scharfen Tom-Yam-Suppe, und auch Haimon scheint sein Reis und das Curry zu schmecken. Und Bier geht auch wieder. Kann ja alles nicht mehr so schlimm sein J Gegen Mitternacht fallen auch wir ins Bett. Oskar mag seins aber nicht wirklich, landet dann bei uns. Erholsam ist was anderes, aber geschlafen haben wir alle irgendwann, irgendwie…


Blick aus unserem Zimmer ;-)

Morgähn!
Wenn es eines ist, was das Leben mit Kind bereichert, dann sind es bei uns Oskars Unterhaltungskünste. Gut, man muss Publikum mögen bzw. tolerieren, wenn der Kleine mit lautem „Ei-daaaaa! Da! Daaaaa“ den Frühstücksraum rockt, mit dem Löffel aufn Tisch haut, sich über diesen zusätzlich produzierten Lärm freut und kaum, dass er losgelassen, munter übern Boden krabbelt, zum nächstbesten Tisch, um sich davor zu knien und wippend wieder laut „Ei-daaa!“ zu krakeelen. Das Ganze wiederholt sich am Tag immer wieder. Im Stadtrundfahrtbus steht mir nicht nur wegen der Hitze der Schweiß auf der Stirn, sondern auch, weil Monsieur sich weit über die Reling lehnt, sich über den Fahrtwind freut – und die Haare der Frau vor uns. Nein, das geht dann doch zu weit, nicht ziehen, neiiiiiin!!!! …


Station Nummer eins: Der Singapore Flyer, mit 165m das größte Riesenrad der Welt. In einer Glaskapsel wird man im Schneckentempo nach oben transportiert, überblickt die Marina, das Bankenviertel, die Stadt. Ohne Smog. Nur blauer Himmel. Wir scharwenzeln um das Marina Bay Sands herum, durch die dazugehörige Shopping Mall, in der sich neben Edel-Boutiquen auch ein „Vom Fass“-Laden befindet, lustig, den Namen hier, so weit entfernt von daheim, zu lesen. Beeindruckt sind wir von den Wickelräumen. Leder-Optik auf Wickeltisch, blitzsauber, Heiß-Wasser-Boiler, Still-Ecke, manche sogar noch mit Spiel-Ecke. Schick!





Die Bushaltestellen in Singapur haben übrigens keine Namen – sie haben einen Code. Bis wir das durchschauen, dauert es allerdings etwas. Lustig jedoch, dass es in Neuseeland genauso funktioniert. Aber das wissen wir zu dem Zeitpunkt ja noch nicht. Wir finden jedenfalls unsere Haltestelle und fahren nach Little India. Und plötzlich ist Singapur anders. Bunter, schmutziger, die Menschen dunkler, lauter. Ich drücke begeistert auf den Auflöser meiner Kamera, Oskar mümmelt im Wagen seinen Mittagsschlaf, faszinierend, wie schnell er sich scheinbar anpasst. Auch das Kokosnusswasser schmeckt ihm. In einem kleinen Park verspeisen wir unter neugierigen Blicken Bananen, spazieren an einem alten malayischen Friedhof entlang, dessen Grabsteine wie Schachfiguren aussehen. Schließlich warten wir wieder auf den Bus, Oskar erklimmt unterdessen ein paar Stufen, hangelt sich an einem Geländer tapsig entlang und wird dabei fotografiert – von uns und anderen Wartenden, die sich köstlich über das kleine Klettermäxchen amüsieren. Zurück im Hotel planschen wir noch im Pool, geben Oskar sein Abendessen – und dann wird er maunzig. Müde. Also ab ins Bett, oder halt, in den Buggy, denn wir müssen nochmal raus ins mittlerweile nieselige Singapur, denn wir haben noch nix gegessen.













Alles hätte gut sein können – das Kind schlief, wir fanden in der nahe gelegenen Chinatown eine verschrobene Kneipe – die Stammgäste hier guckten chinesische Soap Operas, hatten kaum noch Zähne und schienen nichts mit der Glitzerwelt ein paar Straßen weiter zu tun zu haben. Doch auf der Speisekarte standen die berühmten Chili-Krabben, laut Reiseführer ein Muss. Also ordern wir so ein Viech, mit viel Soße aufm Teller, setzen unbeholfen den Nussknacker an, es knackt, ich schmecke schon fast die köstlich süße Schärfe und dann….rempelt der etwas unwirsche Wirt doch nicht etwa den Buggy an. Ein Rumms, ein Schrei, Oskar wach. Und er blieb wach. Und so knatschig, wie man nur sein kann, wenn man aus seinen schönsten Träumen gerissen wird. Er beäugte Chinatown mit großen müden Augen, er beäugte das Hotelzimmer mit großen müden Augen, und blieb – wach. Wenn er mal schlief, dann nur kurz. Immer wieder schien ihn der Wirt anzurempeln, immer wieder knatschte er, auch bei Mama im Bett. Irgendwann war mal Ruhe, irgendwann mal wieder nicht und irgendwann guckte ich dann doch auf die Uhr. Und stand beinahe im Bett. Halb elf. Vormittags. Am Aus-Check-Tag. Frühstück nur bis elf. Scheißescheißescheißescheiße. Oskar beäugte meine Panik mit großen, müden Augen. Haimon beäugte meine Panik mit zusammengekniffenen, müden Augen. Beide sahen schlapp aus. Vor allem Oskar. Oh-mein-Gott-das-Kind-ist-krank-wir-haben-noch-nicht-gepackt-und-essen-müssen-wir-auch-noch!!! Es gab definitiv schönere Momente auf der Reise. Auch wenn wir es fünf vor elf noch ans Buffet schafften, die Bediensteten uns sogar noch was zusammenstellten und Oskar nach ein paar kräftigen Schlucken Saft und ein paar Stückchen Melone wieder zu einem lauten „Ei-daaaa!“ fähig war…

Die Chili-Krabbe

Chinatown
Immerhin, das Kind war also nicht krank, Glück gehabt. Also ab in die Metro, wieder supersauber, superschnell, die Leute superdiszipliniert. Ziel: Die Gardens by the Bay mit ihren künstlichen Bäumen, den Super Trees. Wir flanieren durch diesen schönen Park, gönnen uns die Aussicht von einem der „Bäume“. Künstlich, aber trotzdem schön. Ich fotografiere begeistert einen Baum, der wuschlig rote Blüten hat – nicht wissend, dass genau dieses Gewächs in Neuseeland heimisch ist und auch dort grade in voller Blüte steht… Den Rückweg treten wir wieder über Chinatown an, kaufen Oskar seine Wassermelone in einer Fressmeile, die an eine Tiefgarage erinnert, ich will Haimon überzeugen, Durian zu probieren, diese streng riechende Frucht, doch leider war unsere auch noch überreif und so eklig, dass auch ich kneifen musste. 


Naaaaaaase!!!





Wieder im Hotel hüpfen wir in den Pool und machen uns in speziell für späte Abreisende bereit gestellten Räumen frisch. Was für Service. Der Hotelpage schleppt Oskar durch die Gegend, der findet es gut und bandelt gleich noch mit einem jungen Pärchen an, das uns gegenübersitzt. Lachend verabschieden wir uns, der Abholservice ist da. Am Flughafen werden wir zu einem Extra-Schalter gebeten, wo sich vier Leute um uns kümmern: Einer checkt uns ein und drei himmeln Oskar an. An der Passkontrolle ist Oskar dann sogar mal kurz verschwunden – die Grenzbeamten finden ihn „so cuuuuuute“, dass sie ihn einmal Reih um reichen. Beim zehnten schreit er dann. Den elften grinst er wieder an, aus sicherer Entfernung auf Mamas Arm…

11.11. - Abreise statt Karneval

Und plötzlich ist er da, der Abreisetag. Die Rucksäcke stehen bereit, jeder schleppt seine Kraxe und seinen Handgepäckrucksack, auch Oskar darf 10kg Gepäck aufgeben. Darin verpackt: Pampers, warme Sachen, dünne Sachen, viel zu viel, wie wir später feststellen. Lätzchen hatte er fast nie um und in manche Sachen hat die kleine Fliege auch nach zwei Monaten noch nicht reingepasst. Aber besser man hat, als man hätte. Oder eher nicht, zumindest, was Haimon betrifft. Denn der hat am Morgen des 11. November nun tatsächlich Bauchschmerzen. Was Schlechtes gegessen? Oder doch nur Aufregung? Zum Überlegen bleibt nicht viel Zeit. Der Taxifahrer steht tatsächlich eine Viertelstunde früher als bestellt vor der Tür. Also Hals über Kopf Oskar in den Maxi Cosi hieven, beten, dass alles Gepäck inkl. Buggy in den Kombi passt, alle losen Sachen zusammenklauben, der Schwiegermutter Tschüß sagen, hastig nach Pässen und Geld in der Tasche tasten und zack, Autotür zu. Oskar fällt sofort in den Entspannungsmodus. Erstmal ne Runde schlafen. Selbst das kühl-nasse Wetter am Hauptbahnhof macht ihm nix. Ossi ratzt. 


Die parat stehenden Großeltern sind verzückt – und besorgt. Der arme Kleine. So ne weite Reise. Also, dass wir das machen, nee… schnell bekommen wir noch sechs Wiener Würstchen und Brötchen in die Hand gedrückt. Iss, mein Kind, stärkt die Nerven. Meine schwächt das grade eher. Pünktlich mit der Einfahrt des Zuges wacht Oskar auf. Tschüß, Oma und Opa. Die Türen schließen sich, Dresdens Altstadt verschwindet. Doch von Entspannung keine Spur. Denn im winzigen Kleinkindabteil ist es voll. Eine andere Mutter sitzt auf unseren Plätzen. Fortjagen will ich sie nicht, aber so ganz zufrieden bin ich nicht. Oskar kümmert‘s nicht, er wirft schon die Spielzeugfiguren des älteren Mädchens durch die Gegend und freut sich über den Krach. Erst ab Leipzig haben wir das Abteil für uns. Haimon schläft recht schnell weg. Muss ja sein Bauchweh auskurieren. Oskar erkundet krabbelnd und brabbelnd den halben Zug und sorgt für kurze Schreckmomente bei den Passagieren der ersten Klasse. Oh-mein-Gott,-ein-lautes-Baby!!! Und es sabbert!!! Nein, nein, wir gucken nur. Aufatmen. Glück gehabt.

Frankfurt Flughafen


Das Abschiedskomitee ist da. Meine liebe Freundin und ehemalige Kollegin und ihr Freund. Haben wie meine Eltern auch an unser leibliches Wohl gedacht und uns was zu Essen mitgebracht. Ohrenstöpsel wären auch gut gewesen, denn wir geraten mitten in die Demo gegen Fluglärm. Den Lärm produzieren aber die Demonstranten grad eher selbst. Und sprengen unser Grüppchen, minutenlang wissen meine Freundin und ich nicht, wo unsere Jungs abgeblieben sind. Ist aber auch alles unübersichtlich hier. Schnell einchecken. Immerhin bekommen wir doch nebeneinander liegende Sitzplätze, übers Internet konnte ich den Platz neben dem Babykörbchen nicht reservieren. Im schlimmsten Fall hätte Haimon also woanders sitzen müssen.


Doch in Frankfurt klappt alles: Es geht schnell durch den Sicherheitscheck, die Beamten sind unheimlich freundlich, dass einem schon fast unheimlich werden kann. Und Oskar ist wach, ebenfalls unheimlich. Mich beschleichen Zweifel. Wird der Zwerg schlafen? Elf, fast zwölf Stunden im Flieger. Er hockt immer noch glücklich in seinem Pyjama im Buggy, halb zehn abends, quietscht und flirtet mit den anderen Wartenden am Gate. Wir werden als erstes in den Flieger gebeten, wunderschöne Singapore-Airlines-Stewardessen stehen bereit. Oskar grinst, der Vater auch. Kann losgehen. Singapur, wir kommen!

Flug Nummer eins


Die Crew ist wahnsinnig nett. Oskar bekommt vom zuckersüßen Steward mehrmals Spielzeug. Und zwei der Ausrufe zu hören, die ihn in den kommenden zwei Monaten immer begleiten werden: Sooooo cute! And such beautiful blue eyes! Irgendwann fallen dem Würmchen aber diese wunderscchönen blauen Äuglein zu und wir verfrachten ihn ins Körbchen, was vor uns an der Wand angebracht wird. Praktisch, denn es gibt essen, erst für den einen, dann für den anderen von uns, so hat immer einer eine Hand frei, falls Oskar doch wieder aufwachen sollte. Das tut er dann auch, aber nicht ganz freiwillig. Das Anschnallzeichen leuchtet. Das bedeutet: Oskar raus ausm Schlafsack, raus ausm Körbchen, auf meinen Schoß, anschnallen. Davon wird selbst das größte Murmeltier wach. Oskar tut seinen Unwillen lautstark kund. Mist, ich spüre schon die Blicke aller Passagiere. Und schiele auf die Uhr. Neun Stunden noch, mindestens. Zum Glück schläft Oskar schnell wieder ein. Und von Turbulenzen ist nichts zu spüren, Anschnallzeichen aus. Kind ins Körbchen. Ausstrecken, wegnicken. Bing! Anschnallzeichen an. Kind raus ausm Schlafsack, raus ausm Körbchen. Geschrei. Tätscheltätschel, schielende Blicke zu den Nachbarn. Ruhe. Turbulenzen? Null. Anschnallzeichen aus. So ging das noch mehrmals in jener Nacht. Allerdings ohne Oskars Mitwirkung. Denn den habe ich dann auf meinem Schoß gelassen, angeschnallt. Hat schön geschlummert. Papa auch. Ich nicht. Aber wenigstens war Ruhe.


Zwischen Kiwis und Delfinen... New Zealand is calling!

Die Tage werden endlich spürbar länger. So fällt das langsame Eingewöhnen an den den deutschen Winter, seine trüben Tage, seine Kälte, nicht mehr ganz so schwer. Hinter uns liegen nun schon länger zwei wunderschöne Monate ganz am anderen Ende der Welt. Neuseeland. Klang immer nach Fernweh, dieser Name. Und davon hatte ich genug, wollte endlich mal wieder raus, weit weg. Diesmal aber mit Windeln und Stofftieren im Gepäck. Und zwei kleinen Händchen dabei, die sich manchmal noch etwas unsicher durch die Gegend tasteten, aber genauso neugierig erschienen, wie ich es war. Und Haimon, der gehört natürlich auch dazu, als Papa in Elternzeit....