Viel zu spät begreifen viele die versäumten Lebensziele: Freude, Schönheit der Natur, Gesundheit, Reisen und Kultur. Darum, Mensch, sei zeitig weise! Höchste Zeit ist's: Reise, reise! - Wilhelm Busch

Dienstag, 20. Mai 2014

Gletscher im Nebel

Die Berge hinterm See haben es ja schon angekündigt: Wir nähern uns den neuseeländischen Alpen, jener Gegend, aus denen Outdoor-Träume gemacht sind: Schneebedeckte Gipfel, zackige Grade, bis in den subtropischen Wald hineinragende Gletscher, kristallklare Seen, in denen sich die höchsten Erhebungen spiegeln, wilde Flüsse, direkt gespeist vom Eis hoch oben. Wenn man Glück hat, sieht man das alles. Wir jedoch fahren mitten hinein in die Waschküche, die sich die Hänge hinabwalzt. Aber wir sind froher Hoffnung, schließlich haben wir mehrere Tage eingeplant, bis zu drei können wir ausharren, um auf blauen Himmel zu warten, darauf, mit dem Heli einmal zum Mount Cook zu fliegen und mitten im Sommer Schneebälle zu werfen oben auf den Anfängen der Gletscher. Wir machen noch kurz Halt am Lake Mapourika und suchen das angekündigte Klo - vergebens. Mensch, und das in Neuseeland, wo uns bisher an fast jeder Ecke ein stilles Örtchen erwartet hat, inklusive Papier und manchmal auch Duftsteinen. Nur hier nicht. So ein Mist... Also rutschen wir unruhig hin und her auf dem Autositz, bis wir endlich in Franz Josef Village ankommen. Herrlich, diesen Namen zu lesen, etwas absurd ist das schon. Der Ort und der dazugehörige Gletscher weiter draußen sind tatsächlich nach dem österreichisch-ungarischen Herrscher benannt. Davor hieß der Gletscher Julius. Ob das an Caesar erinnern sollte, weiß ich nicht. Sicher ist: Das Wetter wird immer schlechter. Wollen wir noch irgendwas vom Gletscher sehen, heißt es ab aufs Klo, wieder rein ins Auto, raus zum Gletscher. Der ragte mal fast bis ins Dorf, hat sich aber mittlerweile sehr weit zurückgezogen. Jetzt müssen Touristen sogar vom Parkplatz aus noch ein gutes Stück laufen, um den Eisriesen zu sehen. Große Schilder warnen vor der Gefährlichkeit dieses Spaziergangs. Tatsächlich verläuft der Weg über steinigen Boden, Überreste des Gletschers und der Fluten, die nach starken Regenfällen hier herunterrauschen. Hin und wieder muss man auch durch einen Bachlauf hüpfen. Es tröpfelt schon und wir hoffen, noch vor irgendwelchen Sturzbächen heil hin und zurück zu kommen. Was wir in dem Moment noch mit genügend Spott denken, wurde ein paar Tage später Realität: Touristen kamen nicht mehr zum Gletscher, weil der Fluss zu stark angeschwollen war.





Während wir mit gefühlt hundert anderen Menschen im Gänsemarsch durchs Tal schreiten, schwirren über uns die Helikopter im Minutentakt. Doch sie fliegen nur die Gletscherkante an, nicht viel weiter kann man auch vom Boden aus gucken. Vom unschuldigen Weiß, in das sich der Gletscher hüllen soll, ist nichts zu sehen: Die dominierende Farbe ist wie bei den Alpengletschern schuttgrau. Hier und da glitzert es noch leicht bläulich, doch viel ist es nicht. Das, was der Franz Josef Gletscher den Spaziergängern zeigt, ist nicht wirklich spektakulär, finden wir. Es ist schön, ganz nett, aber das soll alles sein? Mich beeindruckt eher das Tal an sich. Hier WAR er mal, der Gletscher. Unglaublich, wie sehr er sich zurückgezogen hat. Rückzug ist auch für uns das Gebot der Stunde, nachdem Oskar ein paar Steinchen geworfen hat - es regnet jetzt stärker und ganz nass wollen wir nicht werden. Je näher wir dem Parkplatz kommen, desto weniger Regen fällt. Der Gletscher mag uns nicht!




Wir fahren weiter nach Fox. Der Fox Gletscher ist der zweite im Bunde, kleiner zwar, aber man kann angeblich näher ran. Das wollen wir am nächsten Tag ausprobieren, wenn wir schon nicht Heli fliegen können. Denn die Wetterprognose sieht immer noch übel aus. Wir mieten uns in einem Campingplatz ein, der im Reiseführer als "einfach" betitelt ist und stehen dann doch vor einem Top Ten. Er ist immer noch recht einfach, aber dafür dreimal so teuer. Schnell steht fest: Sollte das Wetter morgen auch nur etwas besser sein, wagen wir die kurvige Fahrt zum Gillespies Beach, wo es einen kostenlosen DOC-Platz gibt. Immerhin einer hat Spaß: Oskar. Er hetzt durch den kleinen Spielplatz, schaukelt, rutscht und quietscht. Ich mache derweil das Abendessen und fühle mich fast wie im Tongariro Park, so mufflig erscheinen die meisten in der Küche. Ein deutsches Pärchen treffen wir noch. Sie sind mit ihrer kleinen Tochter per Rad und Anhänger unterwegs. Ui. Neuseeland ist alles, aber kein Fahrradland, finden wir, selbst auch Fans von Chariot und Co. Alles ist aufs Auto ausgelegt, auch die Distanzen. Aber die drei nehmen es sportlich und haben Zeit. Chapeau!

Kaninchenstall Top Ten

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