Viel zu spät begreifen viele die versäumten Lebensziele: Freude, Schönheit der Natur, Gesundheit, Reisen und Kultur. Darum, Mensch, sei zeitig weise! Höchste Zeit ist's: Reise, reise! - Wilhelm Busch

Freitag, 19. November 2010

Ein Wochenende auf dem Dorf

Eigentlich wollte ich ja jedes Wochenende wieder etwas Stadtluft schnuppern und nach Nongkhai fahren. Eigentlich. Doch vergangene Woche wurde nichts draus, die Hochzeit einer Lehrerin stand samstagmorgens an. Im Nachbardorf. Um acht morgens ging es los, das halbe Dorf sass schon unter den Pavillons an reich gedeckten Tischen und futterte. Zum ersten Mal hat mich allerdings das Essen nicht ganz so vom Hocker gehauen. In fast jedem Gericht entdeckte ich Magen. Und das mag ich nicht wirklich. Ich hab ihn meist vorgeschmeckt. Aber dafuer hatte ich dann mehr Zeit, die Leute um mich herum zu beobachten, die auch immer wieder mal verstohlen, mal ganz offensichtlich zu mir herueber schauten. Letztlich hat mich auch der Mann entdeckt, der staendig zwischen den Isaan-Volksmusikliedern seine Ansagen machte. Und dann wusste das ganze Dorf, dass ich da bin. Am Nebentisch wurde daraufhin noch lauter gelacht und noch mehr Mekongschnaps gebechert. Manche der Maedels am Tisch haetten perfekt auf ein deutsches Schuetzenfest gepasst: Feuchte Dauerwelle, das Gesicht zu sehr gepudert, das Roeckchen fuers Alter (und die Figur...leider hab ich keine Bilder von diesen 2 Huebschen) zu kurz und eine Stimme, die Bonnie Tyler vor Neid erblassen liesse und von Trinkfestigkeit zeugt. Und nach ihrem 5. oder 6. Glas morgens um neun wusste ich, dass ich diese Stimme noch hoeren wuerde. Wenig spaeter war es soweit, ich wollte eigentlich :-) am Tisch vorbeigehen, doch schon grabschten Haende nach meinen Armen, zogen mich rueber und die Stimme rief so laut, dass es auch wieder das ganze Dorf hoeren konnte "Farang, cheers!!!" und ich hatte den Schnaps in der Hand, mich zu wehren war zweckslos, also auf das Brautpaar und zum Wohl, Schnaps um neun morgens mit derart feschen Maedels, wie gesagt, das gibbet doch nur aufm Schuetzenfest ;-) (sorry, Neusser ;-)

Wenig kam dann endlich der Braeutigam und ich hatte einen Grund, meinen Schnapsdrosseln zu entfliehen. Der Braeutigam, ganz in weiss, hatte weniger Glueck. Eine der Frauen stand schon am Wegesrand mit der Pulle in der Hand und noetigte erstmal den Trauzeugen und dann den kuenftigen Ehemann, einen kraeftigen Schluck zu nehmen. Dabei musste er sich die Braut nicht schoen trinken, sie war wirklich eine wunderbare Frau. Waehrend er immer wieder stehen blieben und trinken musste, sammelten sich am Weg zum Haus der Braut immer mehr mit Menschen, die von den trinkfesten Maedels nun eifrig mit Bier (die Schnapspulle war ja fast leer) versorgt wurden. An der Schwelle warteten indes die Verwandten und versperrten den Weg mit einer grossen silbernen Kette und einer duennen goldenen Kette, die der Braeutigam loesen musste, nachdem er ueber Erde auf einem Bananenblatt gehen musste und die Fuesse gewaschen bekam. Dann erst konnte er die Maerchenprinzessin in weissem Tuell und Spitze begruessen, bevor es gemeinsam ans Raeucherstaebchen anzuenden ging. Zu guter Letzt bekamen die Brautleute noch weisse Baumwollfaeden von den Gaesten ums Handgelenk geknotet, bringt Glueck :-)










Am spaeten Nachmittag habe ich mich aufs Rad geschwungen und bin ein bisschen durch die Gegend gefahren. An jeder Ecke, fast jeder Hauseinfahrt stehen die Dorfbewohner, laecheln,gruessen, fragen "Bai nai?", was so viel wie "Wohin des Wegs?" heisst. Wenn ich nicht schnell fahre, bleib ich dann hoeflicherweise kurz stehen und versuche ein Schwaetzchen, was meist nach dem 2. satz in hand- und Fussarbeit ausartet ;-) Und ich teffe den ein oder anderen Bekannten, etwa einen Lehrer, der mich spontan zu sich nachhause einlaedt,auf einen Snack und einen Kaffee, ach und vorher natuerlich bei Onkel und Nachbarn vorstellen, die haben auch Snacks und kuehle Getraenke und koennen stolz ein paar Brocken Englisch. Die Tochter  ist eine meiner Schuelerinnen. Nun werde ich zu ihrer Schuelerin, denn sie zeigt mir, den rieisgen Hula-Hopp-Reifen um meine Taille schwingen zu lassen, ohne dabei ungelenk auszusehen wie 90jaehrige bei wilder Popgymnastik. Ich habe es bis heute nicht geschafft, den aktuellen Modesport elegant auszuueben... da dresche ich lieber der Koechin die Federbaelle um die Ohren und sie mir, die halbe Strasse guckt dann zu und beklatscht jede Attacke frenetisch. Oder wir stehen vorm Fernseher und huepfen zur Aerobic-DVD im Takt. Sobald jedoch die Sonne untergeht, kommt Mae mit dem Moped angezuckelt und begleitet mich den Kilometer nachhause. Koennte ja was passieren. Mittlerweile darf ich ja wenigstens allein rumfahren. Beim ersten Mal musste noch der 14jaehrige Nachbarsjunge als Aufpasser mit :-)


Da sitzen sie schon, die Nachbarn und Mae (2. von rechts), mein Woertebuch muss auch immer mit (liegt schon aufm Tisch :-)

Am Sonntag ging es auf zur Landpartie. Wan, die Koechin, hatte ihren Bruder und die Nichten schon ins Auto gepackt, als sie mich abholte und dann ueber Strassen mit Loechern wie der Schweizer Kaese zu ihren Eltern hoppelte. Ein Holzhaeuschen mitten zwischen Banananen- und Papayabaeumen und anderen Straeuchern. Huehner picken ueberall herum, die Bueffel gucken vom Stall aus zu, ein paar Hunde liegen unter den Hausstelzen im Staub und doesen, mich fressen die fetten Moskitos und Ameisen, kaum, dass ich etwas vom Trampelpfad zum Haus hin abkomme, willkommen im tiefsten Isaan. Die Eltern laecheln uebers ganze, sonnengegerbte Gesicht, reden im breitesten Dialekt und freuen sich, wenn ich die wunderbar suesse Ananas, die ich zur Begruessung bekomme, ebenso im breitesten Dialekt versuche zu loben, saep laaai :-) doch der Tisch ist noch nicht komplett, wir muessen nochmal zum Markt, Essen kaufen, besuchen unterwegs natuerlich noch andere Verwandte. Fazit: Ich bekomme insgesamt drei Tuetchen mit Leckereien von ihnen geschenkt. Ich muss wohl staendig verhungert dreinschauen ;-)

Als wir wiederkommen, sitzen auch die alten Nachbarn mit unterm Haeuschen und gucken neugierig. Wenig spaeter gucken sie noch neugieriger, als ich in der Kueche versuche, mit einem Riesenmesser Kraeuter fuer den Huehnerhackfleischsalat zu hacken. Das Fleisch fuer den Salat ist ganz frisch. Waehrend wir weg waren, hat Wans Vater einem Huhn den Hals umgedreht, wenn ich es richtig verstanden habe. Deshalb bekommt er auch die erste Portion Salat, bevor ich wieder den Teller vollgeladen bekomme und mit dicken Backen da sitze :-)

Die Koechin in ihrem Element (es ist Fischsosse in ihrer Hand, kein Schnaps ;-)

Mein Werk


Papaya, noch gruen, genau richtig fuer den Salat

Jackfruit.... lecker!

Am Abend bekomme ich dann bei Mae nochmal die Gelegenheit selbst in der Kueche taetig zu werden. Ich zerstampfe mit dem Moerser alle Zutaten fuer Som Tam, dem leckeren Papayasalat. Klappt mittlerweile ganz gut!

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