Viel zu spät begreifen viele die versäumten Lebensziele: Freude, Schönheit der Natur, Gesundheit, Reisen und Kultur. Darum, Mensch, sei zeitig weise! Höchste Zeit ist's: Reise, reise! - Wilhelm Busch

Samstag, 6. November 2010

Auf in die Provinz

An Schlaf war in der letzten Nacht in Bangkok nicht zu denken. Zu gut war das Essen. Zu heiss war es ausserdem. Ich musste eh spaetestens um vier aus den Federn, um meinen 7-Uhr-Flug nach Udon Thani nicht zu verpassen. Ich duschte auf meinem Balkon, packte noch die letzten Sachen ein und stpafte igrendwann nach vier raus ins Morgengrauen, wobei das Wort Grauen bald noch seine Berechtigung bekommen wuerde. Naemlich dann, als der erst geschwaetzige Taxifahrer stiller wurde. Mir waren die Themen ausgegangen, die ich mit meinen paar Brocken Thai ansprechen konnte und er mit seinem Singsang-Englisch. Er nannte mich fortlaufend "teacher", weil ich ihm erzaehlt hatte, was ich oben in Udon Thani bzw. besser gesagt in Nongkhai will. Als er immer stiller wurde, dachte ich mir erst nichts dabei, bis ich sah, dass sein Kopf und seine Schultern sich immer mehr an die Fensterscheibe der Fahrertuer kuschelten. Bei gleichbleibender Geschwindigkeit versteht sich. Dass der Fahrer nicht entschlummert ist, hat er wohl den zahlreichen, regelmaessig wiederkehrenden Bodenwellen in Bangkoks Highway zu verdanken, die ihn etwas aufhopsen liessen. Danach war ein kurzes Raeuspern zu hoeren, kurzes Strecken und Kopfschuetteln, bis er langsam, aber sicher die alte Position wieder einnahm - bis zur nachsten Abfolge der Bodenwellen, die manchmal so extrem waren, dass sie ein kurzes Achterbahngefuehl in mir ausloesten. Ich drueckte dem Fahrer am Flughafen in gutes Trinkgeld in die Hand. Moege er es fuer eine Pause genutzt haben...

Der Flug an sich war unspannend, was daran lag, dass ich Taxifahrer spielte und mich an die Scheibe kuschelte und, im Gegensatz zu ihm, gefahrlos wegdoeste. Im kleinen Flughafen Udon Thani angekommen war es leicht, den Limousinen-Service nach Nongkhai zu finden. Ja, die Minibusse, in die man gepfropft wird, heissen tatsaechlich Limousinen. 2 Polinnen und ich hatten dann das Privileg, in einen normalen Pkw zu steigen, offensichtlich wollten nicht so viele Menschen nach Nongkhai. Der Fahrer radebrechte etwas auf Englisch und nutzte dann meine thailaendische Ansage, wo ich hinwolle, direkt fuer ein Schwaetzchen, von dem ich wieder mal gar nichts verstand. Also laecheln, wenn er laechelt, kichern, wenn er kichert und schon haben alle gute Laune und es macht Spass. Die Polinnen stiegen an der thai-laotischen Grenze aus, ich wurde weiter nach Nongkhai hinein gekarrt, wobei der Fahrer mit der Adresse nichts anfangen konnte. Da fragt man halt und stellt natuerlich den blonden Gast den Befragten gleichmal vor mit viel Handgewedel und natuerlich - Kichern. Zweimal ging das so, dann waren wir da.


das Freilwilligenhaus

Ich wurde abgeholt und ins Freiwilligenhaus gebracht, das ich fuer das Wochenende mit einer Amerikanerin teilte. Montagmorgen sollte es ja ins Dorf gehen, zur Schule, zur Gastfamilie. Bis dahin musste ich mich etwas ans thailaendische Leben gewoehnen, um nicht in jedes der zahlreichen kleinen Fettnaepfchen zu treten. Da waere Regel Nummer eins: Schuhe ausziehen an der Haustuer. Barfuss ins Haus. Wusste ich. Als aber die staendig hungrige schwangere Katze der Nachbarn zielstrebig im Affenzahn zwischen meinen Beinen hindurch, an der Fliegengittertuer vorbei in den grossen Wohnraum sauste, sah ich schon kleine Kaetzchen irgendwo in einer Ecke meines Zimmers und angefressene Vorraete und bin hinterher gesaust. In Schuhen natuerlich. Auch jetzt passiert es mir noch ab und an, dass ich in den immer fuer alle zur Benutzung bereit stehenden Badelatschen der Toilette hinaus in den Flur tapere, bis ich daran denke, nein, die Dinger gehoeren nur im nassen Klo an den Fuss, denn der is schmutzig und barfuss wuerde man Spuren hinterlassen. Ich lerne nie aus :-)

Was noch schwerer ist, ist der Linksverkehr. Zumindest fuer mich, da ich oft ja erstmal gar nicht weiss, wo nun links ist, wenn ich mich entscheiden muss. Will man sich hier aber fortbewegen, nimmt man entweder das Auto oder das Moped, den Bus, das Sammeltaxi oder auch das Fahrrad. Zu Fuss geht kaum einer und wenn, dann gucken die Leute mitleidig, als ob man kein Geld fuer Auto oder Bus haette. Sagt Puki, meine thailaendische Betreuerin. Also nehme ich das Rad, geht eh schneller und ist, hoffentlich ;-), etwas weniger gefaehrlich. Ueberhaupt fahren hier die meisten recht gemaechlich. Ruecksicht nehmen sie dafuer umso weniger. Doch das kenne ich ja aus Koeln :-) Dennoch habe ich einen Trick fuer meine notorische Rechts-Links-Schwaeche entwickelt. Ich lege einfach immer den Zeigefinger meiner linken Hand auf die Handbremse. So weiss ich, wo die richtige Seite ist. Sieht daemlich aus. Hilft aber ungemein!

Mit dieser kleinen Hilfe radle ich recht gut durch das kleine Nongkhai. Alles ist hier langsamer als in Bangkok, die Luft besser und trockener, die Sonne weniger brennend, die Menschen laecheln noch viel mehr, einmal, weil sie hoeflich sind und zuruecklaecheln, anderseits wohl auch, weil es lustig ist, eine fuer ihre Verhaeltnisse grosse Westlerin auf einem kleinen Fahrrad mit ausgestrecktem linken Zeigefinger durch die Strassen fahren zu sehen. Mittlerweile ignoriere ich wie in Koeln so manche rote Ampel und kuerze wie alle Rad- und Mopedfahrer schnell mal ab. Alles aber wie gesagt deutlich gemaechlicher als daheim. Ebenso gemaechlich waelzt sich der riesige, braune Mekong dahin, die Ufer gesaeumt von Bananenpflanzen  und gruenen Graesern. Drueben liegt Laos. Moegen die Thais nicht sonderlich. Graben die Laoten an einer Flussbiegung Sand ab, heisst es gleich, sie klauen den Thais Grund und Boden. Dass an einer anderen Flussbiegung in Thailand ebenso Sand abgebaut wird, ist dann aber nebensaechlich :-)



einer der zahlreichen Fressstaende, hier auf einem Markt

Das naechste Fettnaepfchen kann das Essen sein. Was man nun mit Staebchen, Gabel, Loeffel oder Hand ist, ist manchmal nicht ganz klar. Nudeln = Staebchen. Man kann sie aber auch auf dem teller zerhacken und aufloeffeln. Dazu benutzt man die Gabel, mit der man das Essen auf den Loeffel (in der rechten Hand) schiebt.  Gabeln steckt man nicht in den Mund, obwohl ich das mittlerweile aber auch schon gesehen habe... den hiesigen Klebreis hingegen kann man durchaus mit der Hand aus seinem Bambuskoerbchen zerren, vorausgesetzt, die Hand ist sauber und es ist die rechte. Die linke ist unsauber, denn die benutzt man aufm Klo, indem man sich mit Wasser statt Klopapier reinigt (auf einem Hockklo nicht so ganz einfach, will man sich das Wasser nicht irgendwo auf Hose oder Rock kippen...dazu mehr beim naechsten Fettnaepfchen). Komischerweise jedoch topft man dann den ergatterten Reis in die linke Hand und holt ihn sich portionsweise wieder hervor, formt mit der rechten kleine Kuegelchen, tunkt die in die Sosse auf dem eigenen Teller oder aber in einen der auf den Tisch stehenden. Auf dem Tisch stehen meist viele Teller, denn man ist erstens meist in Gesellschaft und zweitens gibt es einfach eine unglaubliche Auswahl. Davon schaufelt man sich aber bitte nicht alles auf den eigenen Teller. Man nimmt haepchenweise, und dann auch alles durcheinander. Die Suppe folgt dem Huehnerbein folgt dem Papayasalat folgt der frittierten Banane folgt dem Fisch folgt dem Kohl etc. Satt wird man auf jeden Fall :-)

Ein weiteres Fettnaepfchen bzw. eher eine ungewohnte Sache ist das stille Oertchen. Zwar gibt es ab und an Klopapier, doch grad auf dem platteren Land eher weniger. Das wusste ich. Und dachte, ich mach die Probe, ob ich es denn auch auf die Thai-Art schaffe. Ich waer beinahe im Klo gelandet... Neben dem Hockklo ist ein Wasserbecken (oder es steht ein Eimer da), in der eine kleine Schuessel schwimmt. Die musste ich erstmal rausangeln, denn ich hatte vergessen, sie vorher gefuellt auf den Rand zu stellen. Balanceakt eins gelungen. Wie kippt man nun das Wasser, um sich die reinigen? Irgendwie, Resultat: ein nasses Hosenbein. Also ziehe ich den Fuss zur Seite, um nicht noch nasser zu werden, rutsche weg, stuetze ich grad noch so am wasserbecken, um nicht gaz im Hockklo zu landen und bringe den linken Fuss grad noch irgendwie so neben das Klo, dass er nicht auch noch abrutscht. Uebung macht wohl den Meister :-)

Direkt nach meiner Ankunft bin ich mit Sabine zum Waisenhaus  gefahren. Die Waisen dort sind nicht unbedingt  Waisen im klassischen Sinne, als dass sie alle gar keine Eltern mehr haetten. Manche haben wohl noch Mutter und Vater, doch die sind nicht in der Lage, sich um ihr Kind zu kuemmern. Den Jungs selbst geht es im Waisenhaus besser als irgendwo auf der Strasse, doch ees scheint ein recht strenges Regiment zu herrschen. Eine richtige Schule gibt es auf dem Gelaende auch nicht. Mit 18 muessten die Jungs das Haus verlassen, manch einer kann noch ein paar Monate bleiben... Besuch erfreut die Jungs daher richtig, denn der knuddelt auch mal ihnen, hat keine Angst vor irgendwelchen Krankheiten und Hautunreinheiten, laesst sich an der grossen Nase ziehen, kocht und spielt mit ihnen und gibt freiwillig Handy und Kamera zum Begucken her. Danach ist zwar alles umgestellt und manch ein Bild verschwunden, aber die breit grinsenden Gesichter entschaedigen dann doch. Wir sind kaum auf dem Gelaende, da kommt uns der erste entgegen, strahlt, schnappt sich meine Hand und haengt fast schon an mir, bevor er Konkurrenz von den anderen bekommt, fast schon gibt es Streit, wer nun als naechstes dran ist, auf den Arm genommen zu werden (die Kleinen) oder mal Haendchen zu halten, wobei da ein fast 17-Jaehriger sich durchgesetzt hat, mich an die Hand nimmt und mir die Schweine und Enten des Gelaendes zeigt und selbst stolz wie ein Gockel an seinen Kumpels vorbeimarschiert. Dass er mir nur bis zur Schulter reicht, ist ihm egal :-)





Kurz bevor es dann richtig ernst werden sollte, hat Puki mich und die Amerikanerin mitgenommen in einen Skulpturenpark hier in Nongkhai, Sala Keaw Ku. Ein gebuertiger Laote hat hier eine kleine Maerchenwelt aus zahlreichen buddhistischen und hinduistischen Skulpturen erschaffen, ueber allen wacht ein 25 Meter hoher Buddha auf einem Thron, beschuetzt durch eine mehrkoepfige Naga, einer Art Schlange, einem Wassergeist aus dem Mekong. Kaum sind wir im Park, schiebt eine Mutter ihre Kinder zu Sheila und mir, laechelt und fuchtelt mit ihrer Kamera... und schon sind wir in einem thailaendischen Familienalbum vertreten. Wenig spaeter kommt ein chinesisches dazu, ganz ohne Fragen hab ich wieder eine Kamera vor der Nase und einen grinsenden Chinesen vor mir. Peking laesst gruessen :-)




vor der Hochzeit...

nach der Hochzeit :-)

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