Viel zu spät begreifen viele die versäumten Lebensziele: Freude, Schönheit der Natur, Gesundheit, Reisen und Kultur. Darum, Mensch, sei zeitig weise! Höchste Zeit ist's: Reise, reise! - Wilhelm Busch

Samstag, 20. November 2010

Ein bisschen Schulalltag

In den vergangenen 2 Wochen war an wirklichen Unterricht nicht recht zu denken. Stattdessen musste fleissig geuebt werden fuer einen Wettbewerb zwischen Schulen des Distrikts, die dann eine Woche spaeter sich im provinzweitem Wettbewerb in Nongkhai beweisen muessen. Fuer mich hiess das hauptsaechlich, den Schuelern beim Auswendiglernen von Texten zu helfen und ihnen begreiflich zu machen, was sie da ueberhaupt erzaehlen. Meine begrenzten Thaikenntnisse halfen da nur ab und an, aber wenigstens lockerten sie das Ganze auf, wenn ich mal wieder den Ton nicht traf und kompletten Nonsens von mir gab. Fuer Auflockerung sorgte mal wieder der Direktor, als er beim morgendlichen Apell froehlich zu mir herueber marschiert kam und meinte, praesentier uns doch mal ne Kurzgeschichte morgen frueh, denk Dir was aus, irgendwas mit Tieren vielleicht? Bisschen was, wo man schauspielern muss, damits den Kindern nicht gleich langweilig wird beim Zuhoeren. Und Noi uebersetzt ins Thailaendische. Also sass ich am Nachmittag am PC und tippte eine thailaendische Variante der Fabel vom Hasen und dem Igel. da es Igel irgendwie  nicht so recht hier gibt, habe ich ihn durch Mr. Turtle, die Schildkroete, ersetzt und stand am naechsten Morgen vor vielen kleinen Kindern, die der Direktor extra nah ans Mikro gelotst hatte, damit sie auch ja nichts verpassen, waehrend die aelteren etwas weiter weg standen auf dem Schulhof und vor sich hinkicherten, als Noi und ich im Wechsel den hetzenden Hasen und die seelenruhige Schildkroete spielten und der Direktor grinsend hinter uns stand.

Gleich nach der Morgenunterhaltung stellte er mir drei Kollegen aus Nongkhai vor, die ziemlich wichtig aussahen. Besonders die Frau nahm mich ins Kreuzverhoer, was ich denn hier so tue, wie es mir gefaellt, was ich in Deutschland mache, etc, zum Glueck alles auf Englisch, sonst waere ich im Boden versunken. Ich brauche teilweise ewig, um mir die Saetze zurecht zu legen und ueberhaupt erstmal mein gegenueber zu verstehen. Das sage ich dann zwar auch, was aber meinen Gespraechspartner und leider haeufig seine Begleiter dazu anregt, im Chor auf mich einzureden, sodass ich komplett gar nichts mehr verstehe, weil ich niemandem mehr zuhoeren kann. Nichtsdestotrotz, ich muss die Dame aus Nongkhai beeindruckt haben, denn wenig spaeter kam der Direktor erneut zu mir und meinte, sie haette mich gern als Pruefer in Nongkhai beim Wettbewerb dabei. Widerrede ist zwecklos, denn sie hat ja nicht gefragt, sie hat es bereits beschlossen und der Direktor schien unheimlich stolz, ein blondes Aushaengeschild ein zweites Mal loszuschicken. Denn das erste Mal stand am naechsten Tag an, die Pruefung im Distrikt, die im Nachbardorf stattfand...

Der grosse Tag des Distriktwettbewerbs war einer der schwersten fuer mich. Wir kamen an die Schule, wo schon hunderte Kinder herumwuselten, ob nun Pfadfinder, kleine Kuenstler, Sportler oder eben meine Englischschueler, die nervoes an den zerfledderten Zettelchen nestelten, auf denen ihre Texte standen, oder einfach nur recht hilflos in die Gegend guckten, weil sie noch nichtmal recht buchstabieren konnten. Ich traf andere Lehrer und wusste nicht recht, was nun meine Rolle war, denn keiner erklaert auch nur irgendwas. Als erstes sollte der Buchstabierwettbewerb stattfinden, nach Altersklassen abgestuft. Doch die zu buchstabierenden Woerter waren noch gar nicht fertig, also bekam ich einen Zettel foermlich hingeklatscht, mit der Aufforderung, bitte jeweils 20 und 30 Woerter aufzuschreiben, waehrend die Lehrer sich Kaffee und Plaetzchen holten, schwatzten und telefonierten. Nur Noi nahm sich etwas zurueck, sass aber auch nur still da. Dann war ich dran mit Buchstabieren. Und bekam gleich danach ein Englischbuch in die Hand gedrueckt, mit einem wahllos aufgeschlagenen Text und der Ansage "lies vor und stell Fragen, obs die Schueler verstehen". Da hier aber oft nur auswendig gelernt wird und auf Verstaendnis dabei wenig Wert gelegt wird, haben die Schueler bei sowas wenig Chancen. Ich durfte noch nichtmal die Fussnoten vorlesen, die ein bisschen was vom Text erklaert und uebersetzt haetten. Nur den Text und die Fragen. Mich schauten halb mit Traenchen gefuellte dunkle Kulleraugen an und die Muender blieben still. Keiner konnte auch nur auf irgendeine, selbst die leichteste Frage antworten... was fuer mich jedoch noch schlimmer war, waren die Sprachtests. Die Kinder standen vor den Lehrertischen und viele stammelten sich teilweise einen ab, manche kaum hoerbar, versuchten, sich an ihre Texte zu erinnern, schauten hilflos zu ihrem Lehrer, der oder die jedoch mit anderen schwatzte oder grad den 3. Kaffee holen war oder eine sms schreiben musste. Zwischendurch wurde dann offenbar, wie mir Noi sagte, ausgehandelt, welcher Schueler weiterkommt. Zugehoert hat den Kindern keiner ausser mir und wenigstens ab und an Noi. Selbst den paar Guten wurde kaum Gehoer geschenkt. Das war traurig.


die letzten Vorbereitungen...

Buchstabieren...


Unsere Schule hatte jedoch das Glueck, ein paar Englischschueler ausgesucht zu bekommen, die nach Nongkhai durften. Gerade, als ich zum 100. Mal mir die Geschichte einer schlauen Fledermaus anhoerte und mich riesig freute, dass die Maedels nicht mehr sagten "Wise bat, you are light", sondern "Wise bat, you are right", steckte der Direktor seinen Kopf in den Klassenraum und winkte mich zu sich. Unten warte ein Englischlehrer und sein Direktor, die mich dringend fuer eine Stunde in ihre Schule ausleihen wollten, ja selbst jetzt noch, 15 Uhr. Ich solle eine Schuelerin fit machen fuer Nongkhai. Wofuer ich mit "meinen" Schuetzlingen 2 Wochen gebraucht hatte, sollte nun in einer Stunde funktionieren... nun gut...

Es war ein grossartiges Schauspiel. Ich stieg ins schnieke Auto des anderen Direktors, der mich stolz begruesste und seinem Englischlehrer wohlwollend zunickte. Der kramte im Handschuhfach nach einer CD und legte erstmal auf, nein, keine Isaanmusik wie sonst meist ueblich, fuer die Farang mussten es die "Everlasting lovesongs" sein. Mit Richard Marx und Michael Bolton in voller Lautstaerke ging es dann von Schlagloch zu Schlagloch ins Nachbardorf. Nicht in einen Klassenraum, nein, ins Buero des Direktors, wo schon die Schuelerin kerzengerade da sass und aufsprang, als ich reinkam, um mich mit Wai und Knicks zu begruessen. Der Direktor schenkte mir sogleich Eistee ein und platzierte einen Kassettenrekorder vor meiner Nase, waehrend der Englischlehrer fein saeuberlich den Text vor ausbreitete, den ich in den Rekorder sprechen sollte. Der Lehrer versank fast im Erdboden, als ich ihm ein paar kleine Korrekturen in den Text schrieb. Ich versank fast im Erdboden, als die Aufnahmetaste gedrueckt wurde und Direktor, Lehrer, Schuelerin und am Tuerrahmen noch fast uebereinandergestapelt mehrere andere Kinder gespannt zu mir starrten, was ich denn da erzaehlte. Nach der Aufnahme hoerte ich mir die Version von der Schuelerin an und musste denn doch laut kichern, als sie mir statt von der Thai-Lao-Friendship-BRidge etwas von der Thai-Lao-Friendship-Bitch erzaehlte. Manche Buchstabenkombinationen sind fuer Thais so unaussprechlich wie fuer uns manche Toene der thailaendischen Sprache. Als ich der Schuelerin BRidge statt Bitch versuchte zu erklaeren, holte der Direktor auch noch die Videokamera raus. Nun hat er auf immer und ewig festgehalten, was bitch und was bridge bedeutet :-)

Als ich am Abend heimkam, wurde mir eroeffnet, ich muesse am naechsten Tag nach Nongkhai. Ich war fester Ueberzeugung, dass ich erst am uebernaechsten Tag gehen muesste. Falsch. Warum auch immer, was fuer ein Meeting auch immer, ich musste am naechsten Tag fahren. Da mir die Lehrernamen so schnell wieder entfallen, wie sie mir gesagt werden, wusste ich noch nichtmal, mit wem. Noi wusste auch von nichts und rechnete fest mit mir morgens. Ich versprach, am Nachmittag nochmal vorbeizukommen, um am letzten Tag vor dem Wettbewerb nochmal mit den Kindern zu ueben. Das Meeting in Nongkhai war offensichtlich eine Vorbereitung der Pruefer. Hunderte in einer Halle. Irgendjemand redete ins Mikro, alles nur auf Thai. Ich hatte keine Ahnung, was ich machen sollte. Irgendwann musste ich meine Gruppe finden, die mit mir ein Pruefungskommittee fuer die Sprechpruefung der Kleinen bilden sollte. Nach ewiger Sucherei haben wir dann mal in die Unterlagen geguckt. Ach, sorry, falsche Schule, wir muessen woanders hin. Nicht aber ohne auf dem Weg noch zweimal fuer Kaffee und Snack anzuhalten. In der anderen Schule herrschte ein aehnliches Gewusel und keiner war fuer irgendwas zustaendig. Nach einer halben Stunde habe ich dann meine Gruppe gefunden. Wurde lieb begruesst und sogleich wieder verabschiedet, sei alles zu kompliziert, ich wuerde das morgen schon hinkriegen, ich muesse ja nur zuhoeren und sagen, ja, gut oder nein, schlecht, danke und auf Wiedersehen. Das wars. Ich musste schon grinsen, als ich nach 2 Minuten wieder am Auto stand, der Lehrer mich einluid und unterwegs natuerlich nochmal Halt machen musste - zum Essen, es war ja schon fast Mittag :-)

Am naechsten Tag sass ich mit einem Bewertungsbogen in einem kuehlen Klassenzimmer in Nongkhai und wusste immer noch nicht recht, was ich da nun ausfuellen sollte. Zumindest weigerte ich mich hartnaeckig, die Namen der Schueler auf Zuruf aufzuschreiben, denn ich kann von Glueck reden, wenn ich ueberhaupt die ersten Silben der meist langen Namen mitkriege. Meine Rettung war ein britischer Lehrer, der mir wenigstens etwas erklaerte, wie ich die Punkte vergeben sollte. Letztlich, so sagte er mit bitterem Unterton, werden die anderen es eh wieder aushandeln, wer gewinnt. Und genau das passierte wieder. Wenigstens haben diese Lehrer in Nongkhai nicht geschwatzt, sondern den Schuelern zugehoert. Doch dennoch, wenn Kinder wenig Punkte bekommen, obwohl sie fluessig sprechen und das auch noch, ohne alles auswendig gelernt zu haben, andere in einem Fluss und Tonfall ohne Punkt und Komma etwas runterbeten und dann besser eingestuft werden - das macht mich sauer. Denn das ist wirklich schade...

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