Viel zu spät begreifen viele die versäumten Lebensziele: Freude, Schönheit der Natur, Gesundheit, Reisen und Kultur. Darum, Mensch, sei zeitig weise! Höchste Zeit ist's: Reise, reise! - Wilhelm Busch

Montag, 29. August 2011

9. Tag Martin-Busch-Hütte - Pension Leithof, Vernagt

Es ist ein seltsames Gefühl. Der letzte Tag... Morgens gegen halb sechs wird neben uns im Matratzenlager schon gewühlt, es werden Sachen gepackt, Decken zusammengerollt. Kevin und Niki stehen zum Abmarsch bereit, auch für sie ist es heute der letzte Wandertag, wir verabschieden uns gar nicht mehr wirklich, weil sie so früh aufbrechen, da sie zeitig in Meran einen Zug erwischen müssen. Auch wir sitzen halb sieben am Frühstückstisch, bevor wir dann hinauf stapfen zum letzten Pass, links neben uns der Eisdom des Similaun, an dessen Flanken man die Seilschaften erkennen kann, die auf seinen Gipfel wollen oder sogar schon wieder hinabsteigen. Im Winter bietet der Berg angeblich Abfahrten für Skitourengänger, bis zur Hütte hinunter... Heute ist es windig, Wolken jagen über den Kamm, es zieht sich zu. Diesmal sind die Gewitter schon für früher angekündigt und wir haben fast schon Sorge, dass sie uns noch erwischen.

Vorm Similaun (3.606m)


Wir überholen wieder die Bergschulen und verzichten auf einen Besuch der Ötzi-Fundstelle. Teils wegen des Wetters. Teils auch schon etwas aus Faulheit, aus Vorfreude, dass wir es endlich geschafft haben. Da naht nämlich vor uns schon Italien. Kurz vorm Passübergang an der Similaunhütte muss die Grenze sein. Vor ein paar Jahren ist man dafür noch über ein kleines Stück Gletscher gelaufen, jetzt ist es nur noch Geröll und hin und wieder ein Fetzen alter, fast schon brauner Schnee. Und dann ist er da, dieser Moment der Euphorie, oben an der Similaunhütte. Italien! Das Ziel! Neun Tage! Zu Fuß, mit nur kleinen Ausnahmen! Wir genießen kurz den Moment, schauen hinunter den kleinen Pfad entlang, den Hang hinab, hinüber zur Ortlergruppe, diesmal ist aber die Fernsicht nicht überragend, zu viele Wolken. Das Strahlen in meinem Gesicht wird komplett, als ich an der Materialseilbahn stehe und dann das Ziel wirklich vor Augen habe. Tief unten im Tal leuchtet smaragdgrün der Vernagt-Stausee. Kleine Wolkenfetzen steigen von ihm auf. Bald sind wir da...

(Fast) geschafft!!!
Vor uns tippelt die Seniorengruppe der Bergschule vorsichtig den Hang hinab. Auch wir haben keine Eile, überholen erst, als sie Pause machen. Wir rasten an einem Absatz im Hang, wo viele Steinmännchen stehen und der Blick frei ist auf den See, es nach Heu duftet, die Glöckchen der Ziegen zu hören sind, die Bienen summen, ab und an ein kühles Lüftchen aus weißen Wolken und Schatten die mittägliche Wärme unterbrechen - was für eine Idylle. Vergessen die Gedanken an aufziehendes Gewitter. Vergessen die Plagen an den Füßen. Die kleinen Reibereien. Es ist einfach nur friedlich. Schön.




Wir lassen den Tisenhof links liegen, die erste Station in Vernagt. Hier sitzen schon ein paar Buswanderer und freuen sich über ihr Zertifikat, die Alpen erfahren, quatsch, natürlich erwandert zu haben. Wir suchen ein Quartier im Ort und werden schnell fündig in der Pension Leithof. Alles erinnert in Eiche rustikal an Einrichtungen aus den 70er Jahren, der Lüfter im Bad hat's auch schon hinter sich und spuckt vor sich hin, aber das ist alles so zu vernachlässigen gegenüber der Freude auf mal wieder ein eigenes Bett und eine schöne, lange Dusche. Frisch gemacht und ausgeruht haben wir tatsächlich noch Hummeln im Hintern und wollen um den See laufen, nachdem wir schon nicht im eiskalten Wasser planschen.

Blick auf Vernagt


Ohne Rucksack ist alles so unglaublich leicht. Hunger und Durst haben wir dennoch, weil die Umrundung mit 2,5 Stunden doch länger gedauert hat, als gedacht. Also doch hinauf zum Tisenhof hoch über Vernagt, wo wir eine selten teure Brotzeit machen, dafür aber ein letztes Mal Mitwanderer treffen. Erst jetzt stellt sich heraus, dass auch sie aus Dresden kommen. Man, die Welt ist ein Dorf. Doch die beiden haben uns etwas voraus: Steinböcke. Gleich auf mehreren Fotos. Hm. Wird ohnehin nicht unsere letzte Alpentour gewesen sein. Das nächste Mal muss es aber schon ein Gipfel sein. Oder zwei. Nicht nochmal so ein lockerer Spaziergang ;-)

Auch nach 17.500 Höhenmetern in den Beinen haben wir uns noch lieb :-)

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