Viel zu spät begreifen viele die versäumten Lebensziele: Freude, Schönheit der Natur, Gesundheit, Reisen und Kultur. Darum, Mensch, sei zeitig weise! Höchste Zeit ist's: Reise, reise! - Wilhelm Busch

Freitag, 26. August 2011

7. Tag Kaunergrathütte - Braunschweiger Hütte


Es ist ohrenbetäubend laut und schrill, wenn auch nur kurz - ich erschrecke dennoch unglaublich. Und da sitzt es, aufrecht, und guckt, keine drei Meter entfernt. Ein wuschliges Murmeltier, das mit seinem Pfeifen seine Artgenossen vor uns gewarnt hat. Der posierliche Nager bleibt brav für's Foto sitzen, was ich leider trotzdem etwas verwackle, weil der Schreck noch nicht ganz verdaut ist. Von etwas weiter weg ertönt noch ein Pfeifen. Der Abstieg runter von der Kaunergrathütte wird begleitet von den Murmeln. Steinböcke bleiben uns auch diesmal wieder verwehrt, nur riesige Hörner als letzte Überreste standen an der Hütte, die Alpensäuberer hatten sie gefunden.



Nach dem Murmeltierschreck geht es weiter auf dem Cottbuser Höhenweg, meine Sandalen tragen mich sicher über die zahlreichen Steinlawinen, die sich über den Weg gelegt hatten. Doch dann geht es nicht mehr. Vor mir geht es bergab und zwar ordentlich. Eine Stahlkette zum Anfassen, Stahlbügel zum Drauftreten. Diesmal zwar nicht locker und verbogen, dafür aber oft nass und mal wieder weit auseinander gesetzt. Ich muss Haimon zurückpfeifen, der den ersten Absatz schon hinabgestiegen (gehirschelt ;-) ist. Denn er hat meine Bergschuhe an seinem Rucksack baumeln. Und die brauch ich jetzt. Während des ersten Absatzes lache ich auch noch. Nicht ganz ohne, aber prima machbar. Ein Pärchen mit 16kg-aufwärts Rucksäcken wartet hinter uns und ist nicht grad erfreut, mit den schweren Dingern abzusteigen. Jedes Gramm zieht nach unten, gerade beim Rückwärtsgehen. Der zweite Abschnitt nach unten ist länger und steiler. Und vor allem nasser. Ich trete nach unten, greife mit der Hand nach - just an den Teil der Kette, über den ein kleines Rinnsal läuft. Meine Hand rutscht an der Kette ab, die andere packt zwar schnell auch noch zu, doch der eine Fuß rutscht ebenso aus seinem kleinen Tritt, weil so viel plötzliche Belastung nicht geplant war. Ich stoße einen Schrei aus, als ich mit dem Gesicht an den Fels klatsche und nach unten rutsche, bis die Hand nach vielleicht einem halben Meter - wenn überhaupt - gestoppt wird durch einen Zwischenhaken an der Kette. Drei, vier Meter unter mir steht Haimon, eben noch plaudernd mit 2 Wanderinnen, die dort hinauf wollen, wo ich grad unelegant runterkomme. Nichts passiert, jetzt nur keine wackligen Knie. Denn auch wir müssen direkt wieder hoch, diesmal an der sonnenbeschienenen, trockenen Seite, der Fels ist griffig unter Füßen und Händen, ein Stahlseil statt einer Stahlkette ebenso. Fast ein Spaziergang :-)


Kurz danach passiert's...
Am Riffelsee angekommen müssen die Bergschuhe wieder ab. Die Pflaser haben sich auch schon wieder verabschiedet, aber in Sandalen geht es sogar schon ohne. Es ist heiß, der Weg breit. Eine Seilbahn bringt jede Menge Touristen hinauf, sommers wie winters. Wir sind bereits in den Ötztaler Alpen. Große Gletscher, hohe Berge. Auch im Sommer glitzert der Schnee auf ihren Gipfeln. Wir wandern aber erstmal talwärts der Hitze entgegen, nach Mittelberg. Ein Bus nach dem anderen spuckt dort die E5-Wanderer aus, die sich durch's Pitztal kutschieren lassen. Die Busse der Bergschulen fahren ihre Schützlinge sogar über den breiten Schotterweg bis zur Gletscherstube, eine Kneipe und Pension direkt an der Materialseilbahn der Braunschweiger Hütte. Die thront hoch oben auf 2.759 Metern, eingerahmt von immer noch riesigen Gletschern.


Vor diesem Aufstieg stärken wir uns erstmal. Immerhin haben wir schon sechs Stunden in den Beinen und noch nichts weiter im Magen. Wir setzen uns an einen Tisch und versetzen damit die Wirtin in leichte Panik. Jetzt käme ja gleich die Gruppe, ob wir uns nicht an einen kleineren Tisch setzen wollen. Nee. Die sind entweder eh schon besetzt oder in der prallen Sonne. Sollen sich die "Wanderer" ausm Bus doch an unseren Tisch mit dran setzen, haben wir nichts dagegen. Vielleicht haben sie ja ein paar Tourentipps oder so... Die Wanderer plumpsen also aus ihrem Bus, geben ihre Rucksäcke in die Materialseilbahn, bekommen ihre roten Turnbeutelchen mit der Tagesverpflegung wieder und strömen erstmal in den Biergarten. Tipps bekommen wir keine, weil es doch noch genug andere Tische gibt. Dafür höre ich aber einen Spruch, den ich so schnell nicht mehr vergesse. Eine der Buswandererinnen steht an der Toilette hinter mir und sagt leicht erschöpft zu ihrer Freundin, beide offensichtlich höchstens so alt wie ich: "Boah, das letzte Stück eben hat sich aber ganz schön gezogen!" :-)

Für den Weg hinauf zur Hütte gibt es zwei Varianten: Eine führt lange Zeit den Schotterweg entlang, an einem spektakulären Wasserfall aus dem Gletscher vorbei. Leider fahren da aber auch die Lkws lang, weil irgendetwas auf und am Gletscher gebaut wird. Der zweite Weg ist ein schmaler Pfad, ab und an recht steil, aber mit wunderschönen, weiten Aussichten ins Tal und in die herannahende Gletscherwelt. Den wählen wir. Wie oft ich auf diesem Steig dann von Entgegenkommenden oder Wanderern, die wir überholen, das Wort "Sandalen" höre, weiß ich nicht. Langsam nervt's auch. Unten im Tal setzen sich die Busameisen in Bewegung, sie gehen den Weg. Irgendwann darf dort bestimmt auch noch der Bus fahren. Schwitzend und gut durchatmend kommen wir an der Kreuzung des Jägersteigs mit dem bequemeren Weg an. Doch es geht nicht bequem weiter. Großes Blockwerk, leichtes Geröll, ein Gekrabbel beginnt, meine Füße schwitzen, mein Bauch protestiert gegen den gegessenen Joghurt, dass ich befürchte, die Hütte schon nicht mehr rechtzeitig zu erreichen. Die ist zwar schon ab und an zu sehen, doch scheint nicht näher zu kommen. Meine Schwitzfüße rutschen in den Sandalen nach hinten, mir ist jeder zweite Schritt zu viel, die Sonne ist auch nicht gnädig, Gottogott und soll die Hütte nicht übervoll sein, bloß nicht, denke ich mir, hieve mich weiter, Haimon läuft hinter mir, weil er mir angeblich nicht davonrennen will, so viel Selbstbewusstsein muss ich auch erstmal verkraften :-)



Endlich, endlich, stehen wir auf der Hüttenterrasse, der zweitlängste Tag nach zurückgelegten Höhenmetern: 2.660. In der Hütte großes Wiedersehen nach einer Nacht Unterbrechung: Jörg ist da und das nette Pärchen Niki und Kevin auch. Ihnen und uns zuliebe verschwinden wir aber erstmal in der Dusche. Und beziehen unser Lager, denn es war tatsächlich noch etwas frei. Und wer jemals auf die Braunschweiger Hütte kommt, sollte wirklich die Kasknödelsuppe probieren. Wurde mir empfohlen. Ein Traum! Der Kaiserschmarrn übrigens auch! Nach großer Kniffel-Runde ging's wie immer früh in die Heia. Der 20-Jährige neben mir hat alle in Grund und Boden geschnarcht. Nunja. Wenigstens die Pupser hielten sich aber diesmal fern.

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