Viel zu spät begreifen viele die versäumten Lebensziele: Freude, Schönheit der Natur, Gesundheit, Reisen und Kultur. Darum, Mensch, sei zeitig weise! Höchste Zeit ist's: Reise, reise! - Wilhelm Busch

Freitag, 26. August 2011

8. Tag Braunschweiger Hütte - Martin-Busch-Hütte

"Gebirge sind stille Meister und machen schweigsame Schüler."
- Johann Wolfgang von Goethe -


Der vorletzte Tag. Und wir haben wieder wunderschönes Wetter. Zum Glück ist es noch recht kühl, als wir losstapfen, hoch zum Rettenbachjöchl. Der schönere Weg führt über das Pitztaler Jöchl, ist aber wegen Steinschlags gesperrt. Und so zieht sich die Wandererkarawane am grünen See vorbei, ich schnaufe schon etwas über den Schutt hinauf zu den engen Serpentinen, Blick auf den Gletscher, an dessen Kanten zerissene Plastikplanen herunterhängen - ein hilflos wirkender Versuch, der Schmelze entgegenzutreten. Auf der einen Seite diese Bemühungen, Natur zu erhalten. Und bereits beim Aufstieg sieht man aber überall, wie oft der Natur Raum streitig gemacht wird. Skilifte. Seilbahnen. Hässliche Asphaltstraßen, die sich durch Fels und Eis fressen. Im Winter muss es rund um Sölden traumhaft aussehen. Jetzt einfach nur hässlich verbaut... Zu einer Abfahrt komme ich aber auch noch, selbst im Sommer. Ich habe das Rumgeeier auf dem Altschnee satt und werfe meine Stöcke vor einem kleinen Hang runter zu Jörg und Haimon. Und ab geht's auf dem Popo, ein Heidenspaß, nur viel zu kurz!


Juchuuuu! ...und nochmal Dank an Weggefährte Jörg für's Foto!
Unten, nahe am Rosi-Mittermaier-Tunnel, durch den wir mit dem Bus fahren müssen, sagen wir Adieu zu Jörg. Er wird den klassischen E5 weiterlaufen bis Bozen. Wir wollen ja nur die E5-Variante bis in ein Dörflein nahe Meran erwandern. Und warten und warten und warten auf den Bus, es wird schon wieder heiß, dabei ist es erst kurz nach 9 Uhr. Die Bergschulen werden in Minivans durch den Tunnel gekarrt und haben einen Vorsprung. Nicht lange ;-) Wir quetschen uns nach fast einer Stunde Warterei noch in einen Bus. Dank der Überfüllung kommen wir gar nicht dazu, ein Ticket zu lösen. Das nächste Kaltgetränk wäre damit finanziert. Schnell lassen wir den Rettenbachferner und den Tiefenbachferner hinter uns und eilen über einen mal wieder wunderschönen Panoramaweg. Und staunen das erste Mal über völlig falsche Zeitangaben auf den Wegweisern. Statt den 2 Stunden brauchen wir nichtmal eine, um bis zum Weißkarsee zu kommen. Ganz in der Nähe steht übrigens ein Fels, in den Goethes schlauer Spruch vom Anfang dieses Eintrags gemeißelt ist. Und es stimmt. Meistens jedenfalls. Am See oder dem Sumpfland, was man dort sieht, überholen wir die erste Bergschule. Bald folgt schon die nächste mit Lhakpa, einem nepalesischem Führer. Es dauert nicht lange, und wir sehen Vent im Tal, ein kleines Dorf, was wie viele hauptsächlich aus Pensionen besteht. Im Eifer rutsche ich aus und falle im Zeitlupentempo auf mein Knie. Die Eisschokolade im Tal macht das dann aber mehr als wett.



Die Martin-Busch-Hütte ist nicht unbedingt der Liebling der E5-Wanderer. Es fängt beim Weg hinauf an. Er ist einfach demoralisierend. Egal, dass die Haflingerpferde am Rande niedlich sind, die Schafe naiv-doof gucken und wir vom "Muuuuuh!" auf's "Määääh!" umgestiegen sind. Egal auch, dass der Weg ein Fahrweg ist, also breit, einfach zu gehen, ohne derbe Steigungen. Er ist einfach nur ewig lang. Schlängelt sich am Hang entlang, ist weit einsehbar, trotz der kleinen Kurven. Und hinter jeder größeren Kurve meint man, müsse sich doch die Hütte verbergen. Und wird bitter enttäuscht. Es zieht sich diesmal wirklich. Ein paar halbnackte Senioren kommen im Sauseschritt an uns vorbeigehechelt, aha, die Bergschule. Ohne Rucksack. Nichtmal den Turnbeutel haben sie dabei. Mich plagt Durst und Gegenwind. Eine kurze Schrecksekunde, als ein Radfahrer auftaucht ohne Rad - das liegt ziemlich weit unten am Hang. So schnell saust man also aus der Kurve. Ein Leipziger kommt uns entgegen, nur noch ne Viertelstunde, meint er und erzählt uns seine Krankengeschichte. Vielleicht war's die letzte Tour für ihn...


Er sollte Recht behalten, nach knapp 13 Minuten stehen wir in der Hütte. Punkt zwei der Unbeliebtheit: Sie ist voll. Vom Süden kommen die Italiener. Bergsteiger nächtigen hier, weil sie auf den Similaun wollen. Wanderer und Busfahrer wollen Quartier. Und die Hüttenwirtin will offenbar erstmal nicht das Matratzenlager freigeben, sondern lässt uns warten, abweisen darf sie niemanden so weit oben. Wir würden zur Not auf dem Boden schlafen. Mit genug Bier geht das doch, sagt Haimon. Dann sieht er die Preise. Und überlegt es sich anders bei 4 Euro fürs Bier. Letztlich bekommen wir einen Lagerplatz, neben uns Bekannte - Niki und Kevin, die wir erstmals in der Kaunergrathütte kennengelernt hatten. Dann duschen wir und sorgen fast für einen Skandal bei den hinter uns Wartenden - weil wir zu zweit aus der Dusche kommen. Einfach, weil wir das eng bemessene warme Wasser für teuer Geld am besten ausnutzen wollten. Eine Dusche für 130 Leute übrigens. Frohes Warten! Aber gut, Luxus gibt's eh bald wieder. Eingemummelt stehen wir auf der Veranda und gucken auf die Gletscher und kargen Weiden mit ihren Ziegen und Schafen. Das Publikum drinnen ist uns diesmal zu laut. Draußen ist es aber der schneidende Wind, der uns 20:30 Uhr ins Lager treibt. Die letzte Nacht, die wir mit vielen anderen unterm Spitzboden teilen. Wundersamerweise ist es eine der ruhigsten.


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