Viel zu spät begreifen viele die versäumten Lebensziele: Freude, Schönheit der Natur, Gesundheit, Reisen und Kultur. Darum, Mensch, sei zeitig weise! Höchste Zeit ist's: Reise, reise! - Wilhelm Busch

Dienstag, 24. Juli 2012

Ab auf die Insel!

Der Sitznachbar rutscht etwas unruhig auf seinem Sitz hin und her. Dann spricht er mich doch an. Ob ich auch zu Wave-Reisen gehöre und auf Korsika wandern will. Ja und nein, wir sind unsere eigene Wandergruppe, sage ich ihm und deute auf Haimon, der im Sitz immer tiefer rutscht und von den Bergen träumt. Wir sitzen im Flieger nach Bastia, mit uns viele Sonnenanbeter, ein paar Radfahrer und eben die Wave-Reisenden, ein bunter Haufen etwas desorientiert wirkender käsebeiniger Herren und ein, zwei Frauen, mehr oder minder bereit, sich mit ihren bis oben vollgepackten Rucksäcken auf den GR20 zu begeben.

Am Flughafen in Bastia schlägt uns sogleich die trockene Hitze der Insel entgegen. Schnell die Hosenbeine abgezippt, Strümpfe runtergerollt, T-Shirt gewechselt. Wir könnten glatt loslegen. Das scheint auch eine sonnengegerbte Französin zu denken, steuert direkt auf uns zu und fragt kurz und knapp etwas, von dem ich erst nur so etwas wie "chèr" - teuer - verstehe und vorsichtshalber mal "Non" antworte. Sie winkt abschätzig ab und geht weiter. Erst einige Minuten später verstehen wir, was sie wollte - uns eine Gaskartusche schenken, die sie nicht mit ins Flugzeug nehmen darf. Und gefragt hatte sie, ob wir auf "Chee-Aaar", dem GR, unterwegs sein würden. Ups. Aber gut, wir brauchten eh Stechkartuschen, sie hatte eine Schraubkartusche...

Vor dem Flughafengebäude stehen wir unschlüssig in der brennenden Nachmittagssonne. Taxi zum Bahnhof? 8 Kilometer laufen, bei der Hitze, nö. Da kommen mir die Jungs vor uns wie gerufen. Sie sehen deutsch aus, sind sie auch und - sie haben einen Plan, den ein anderer, verwegen langhaarig blonder Lulatsch hinter uns, ausgeheckt hat: Erstmal nach Lucciana zum Supermarkt und dann dort in die Bahn, alles in allem so 2 bis 3 Kilometer. Prima, wir wackeln hinterher. Und fragen uns schon an der ersten Kreuzung, wann denn nun endlich der Supermarkt kommt. Völlig durchnässt vom eigenen Schweiß kommen wir schließlich irgendwann an, betreten das kühlschrankkühle Gebäude und hamstern erstmal Wasser und - mein neues Lieblingsgetränk auf Korsika, da Pietra-Bier ja nun wegfällt - eine Orangina. So gestärkt fällt der letzte Kilometer zum Bahnhof nicht schwer, und an der kleinen verfallenden Hütte stehen wir auch nicht lang, da kommt eine niedlich altmodisch aussehende Bahn das Gleis entlanggezuckelt, der Schaffner bedeutet uns einzusteigen und will noch nichtmal Tickets sehen. Wir fahren nur eine Station weiter, da ist Ende. Die nächste Bahn zu unserem Zielort Corte käme "so in einer Stunde", meint der Schaffner noch. Ich in meiner deutschen Fahrplanliebe weiß natürlich alles besser und will noch sagen, nein, in 20 Minuten, verkneife es mir aber. Besser so. Denn es wurde eine Stunde. Auch die korsische Bahn hat Verspätung... und der Bahnangestellte keine Lust, Tickets zu verkaufen. Er diskutiert, telefoniert, diskutiert und lümmelt irgendwann in seinem Schreibtischstuhl und bewegt sich keinen Deut zum Schalter. Korsische Gemütlichkeit :-)

In der Abenddämmerung schiebt sich der moderne Zug die Hügel hinauf, vorbei an grasenden Maultieren, Rindern, Schafen. Die Silhouetten der höheren Berge umspielt das letzte Sonnenlicht, zackig zeichnen sich die Felsgrate ab, tief liegen die Täler unter uns mit ihren Oliven- und Kastanienhainen. Es ist diese Mischung aus rauer alpiner Schönheit und mediterranem Zauber, mit der Korsika mich schon beim ersten Mal begeistert hat. Und auch diesmal sofort wiedergewonnen hat. Auch unsere Mitfahrer, eine Mutter mit ihrer ca 12-jährigen Tochter und ein älterer, drahtiger Herr, alle drei in Wandersachen, bestaunen die Natur draußen. Wir werden diese drei Deutschen immer wieder sehen in den nächsten Tagen.

Als nächstes beim Pizzaessen. Der verwegene Blonde hatte uns die Pizza aus dem Wohnwagen-Imbiss in Corte empfohlen. Nachts um zehn schmeckt alles, wenn man Hunger hat, auch eine Pizza mit etwas zu viel Käse, egal. Kaja, Britta und Klaus sitzen auch bald neben uns. Und wie konnte es anders sein - Klaus ist ein Sachse, wenn auch schon lange im Ruhrgebiet heimisch und in Köln beim Tangounterricht. Überall trifft man sie :-) Wir schlagen unser Lager gemeinsam auf dem Campingplatz Restonica auf, direkt an der Restonica gelegen, deren Rauschen den Wirt wohl schon eingelullt hat in Träume, etwas zerzaust steht er vor uns, halb elf nachts. Wir teilen uns den Platz mit ein paar Ameisen, aber was stört schon das Krabbelgetier, davon werden wir bald wahrscheinlich eh noch genug haben...

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