Viel zu spät begreifen viele die versäumten Lebensziele: Freude, Schönheit der Natur, Gesundheit, Reisen und Kultur. Darum, Mensch, sei zeitig weise! Höchste Zeit ist's: Reise, reise! - Wilhelm Busch

Montag, 18. Oktober 2010

Nepal... eine andere Welt

"The mountains are not stadiums where I satisfy my ambitions to achieve. They are my cathedrals, the houses of my religion. Their presence is great and pure. I go to them as all humans go to worship. In their presence I atemp to understand my life, to purify myself of earthly vanity, greed and fear. On their alter I strive to perfect myself physically and spiritually. From their vantage point I view my past, dream of the future and with unusual acuteness I experience the present. My ascents renew my strength and clear my vision. They are the way I practice my religion. In the mountains I celebrate creation, on each journey I am reborn."
Anatoli Boukreev, Bergsteiger, 1958-1997




Boukreevs Meinung kann ich nur zustimmen. Als wir im Annapurna Base Camp oder dem sogenannten Annapurna Sanctuary, dem Annpaurna Heiligtum, ankamen, fuehlte ich mich wie in einer riesigen Kathedrale der Natur. Um mich herum 7000er, und die Kroenung, die 8091m hohe Annapurna I. Nein, keine Aufregung war da in mir, wie unser Guide mich fragte, als ich so laechelnd vor diesen schneebedeckten Riesen stand. Es war ein Seelenfrieden wie am Everest, wie am Kailash. Es war eine innere Zufriedenheit, die sich ausbreitete, fuer die ich kaum Worte finde. Es war aber auch der Drang, wiederzukommen, etwas Hoeheres irgendwann zu wagen, auch wenn die 8000er wohl immer unerreichbar bleiben werden. Koennen sie auch. Ich schaue gern zu ihnen auf...

Erst die "Arbeit", dann das Vergnuegen

Doch vor das Hinaufschauen auf diese maechtigen Berge hat der liebe Gott Kathmandu gesetzt. Und generell die chinesisch-nepalesische Grenze. Von einem Pass auf ueber 5000m Hoehe geht es steil bergab in ploetzlich gruene, regentriefende Gefilde, in eine Grenzstadt namens Zhangmu. Ziegen- und Schafherden trotten auf der Strasse vor unserem Jeep her, ihrem Ende im Dashain-Fest in Nepal entgegen. Die Luft ist schwer, mittlerweile befinden wir uns nur noch auf 2500m.


die Grenztstadt Zhangmu

Die Nacht wird noch schwerer, weil ich dreimal ins Bad renne, um das letzte Essen los zuwerden, waehrend Tenzing mir den Pfefferminztee aufbrueht, sich im 2. Bett einquartiert und seine tibetische Medizin sucht, die er gegen seine Magenprobleme bekommen hatte. Und da ichs mir grad nicht verkneifen kann, weil ich hier Kommentare bekommen habe - nein, da lief nix ausser mir selbst zum Bad und versprochen, sich zu uebergeben und dann schnell noch auf den Topf setzen ist alles andere als erotisch.... Und nein, auch in einer anderen Nacht nicht, als ich mir mit Tenzing schonmal ein Zimmer geteilt habe. Ich habe mir wie jede Nacht in der Hoehe meine Kompressionsstruempfe bis zum Knie gezogen, drueber die labbrige lange, schwarze Unterhose, das immer noch nach Tigerbalsam riechende Schlafshirt obenrum und bin dann in meinen nach Yak stinkenden Schlafsack gekrochen. Der arme Mann, oder?!

Am Morgen standen wir puenktlich kurz vor zehn vor der Grenze und hatten 3 Checks vor uns. Was auch immer Tenzing gemacht hat, er redete kurz mit dem Beamten und ich musste nichtmal meinen Rucksack zur Kontrolle oeffnen. Und schlecht war mir auch nicht mehr, nur etwas schwer ums Herz, dieses wunderschoene Land mit seinen lieben Menschen verlassen zu muessen...aber ich komme wieder, irgendwann... die Schritte ueber die sogenannte Freundschaftsbruecke waren gemacht, fast am Immigration office vorbei, wo vier Nepalesen meinen Pass bearbeiteten, bevor wir dann auf einen Jeep Richtung Kathmandu hofften. Fuer umgerechnet gut 6 Euro bekamen wir einen. Und dann ging das Geschiebe den Berg runter los. Linksverkehr statt Rechtsverkehr. Kuehe im Weg, Menschen mit schwarzen Augen und dunklen Gesichtern, Frauen in wunderschoen bunten Saris. Und Polizisten und Militaer, schlimmer als in China, vor und nach jedem Dorf wurden wir kontrolliert, besonders die 6 schnatternden, mit Nikons bewaffneten Chinesen im Jeep (auch Sardinenbuechse genannt). Die Schlagstoecke haben die nepalesischen Jungs dabei immer in der Hand, sel;bst wenn sie grinsend den Kopf in das Fenster neben mir halten und wohl nochmal die Augenfarbe nachpruefen wollen...

Nach drei, vier oder fuenf? Stunden erreichen wir das Kathmandutal. Die Luft ist staubig, feucht, es riecht nach allem im Ueberfluss, Menschen ueber menschen, nach der Einsamkeit Tibets erschlaegt mich das etwas. Wir stecken im Kathmanduer Stau, es draengeln sich die Mopeds vorbei, auch in die noch so kleine Luecke, ich kann das Ohrenschmalz des Fahrers sehen, so nah, so eng ist es. Kinder liegen auf den Gehwegen, schnueffeln Klebstoff, Benzin. So habe ich mir immer irgendwie Indien vorgestellt...

Mein Guesthousebesitzer kommt dem Jeep entgegen, mittlerweile sitze nur noch ich hintendrin. Wieder allein nach 3 Wochen, es fuehlt sich gut an, eine neue Etappe beginnt. Thamel, das Touristenviertel Kathmandus, will erkundet werden. Nur schlecht, wenn 18 Uhr der Strom fuer 2 Stunden abgestellt wird und erstmal alles dunkel wird. Ich knabbere grad an der ersten Kekspackung nach meinem unfreiwilligen Diaettag, trete nebenher in Kuhkacke und steh halt dann im Dunkeln. Und muss lachen. Herzlich willkommen, hier ist die Kuh heilig und auch sonst alles anders, es kann los gehen. Nach einer langen warmen Dusche falle ich recht schnell ins Bett und morgens gegen kurz vor 6 wieder raus, weil es unten in den Gassen rumort und alles schon hell ist.

Marco sollte an diesem Tag ankommen. Ich setzte mich mit dem Guesthousebesitzer ins Auto und fahre zum Flughafen. Und stehe in der Wartehalle vor einer Glasfront, hinter der immer wieder bleiche, leicht verwirrte und uebernaechtigte Menschen auftauchen, die die Augen aufreissen und versuchen, ihre Namen auf Schildchen zu entziffern. Ich kann das alles sehen, obwohl vier Reihen Nepalesen vor mir stehen, wobei ich den Verdacht habe, wirklich alle haben Dal Bhat am Tag vorher gegessen, DAS traditionelle gericht hier aus Linsen und Reis und Gemuese. Die Linsen und ihr Pupseffekt. Und ich stehe lange da... letztlich lassen mich die Soldaten sogar in den Sicherheitsbereich, um Marco zu suchen, aber sehr weit kommt man da auch nicht, also muss man weiter warten. Als er endlich angetrottet kommt, ist es dunkel. Schoen, ein bekanntes Gesicht zu sehen! Schoen, das Gemeckere von Zuhause zu hoeren! Schoen, Schokolade und Koernerbrot im Gepaeck finden! Darauf gibts das erste Dal Bhat und ein Everestbier, hier immer ausgeschenkt in 600ml Flaschen. Die Berge koennen kommen!

... der Berg ruft

Es ist frueh am Morgen, als wir bepackt mit unseren Bergklamotten den Busbahnhof suchen. Suchen muessen wir allerdings gar nicht lang, alle Busse reihen sich an der Hauptstrasse auf, schon fliegen die ersten Gepaeckstuecke auf die Daecher und werden festgezurrt, waehrend Wasserhaendler und Suessigkeitsverkaeufer einen umschwirren oder die neueste Zeitung loswerden wollen. Wir nehmen den Bus nach Pokhara, rund 200km westlich von Kathmandu, ein Staedtchen, hinter dem sich die grossen Berge aufreihen, dass jede Postkarte kitschig aussieht. Der Weg dahin fuehrt ueber Stock und Stein einer unbefestigten Strasse und dauert im Idealfall 7 Stunden. Waere da halt nicht der Stau. Und Menschen, die sich in ihrem Auto von hinten nach vorn durchhupen und dem Gegenverkehr nur die Wahl zwischen 100m Abhang oder Stehen bleiben lassen. Daraufhin hupen natuerlich die anderen alle mit. Und die Sonne knallt aufs Dach, dass ich Angst um meine kostbare deutsche Schokolade habe, sie aber nicht verspeisen will, weil ich die Serpentinen sehe und die letzte tibetische Nacht noch gut in Erinnerung habe. So schwitzen wir 10 Stunden unserem Ziel entgegen, mit 2 Pausen, in denen ein Fahrgast endlich mal das ausspucken kann, was er in der ganzen Zeit hochgequaelt hat mit jedem Huster.

Ueber Pokhara haengen indes dicke Wolken, von all den Bergen nichts zu sehen. dafuer schuettet es wenig spaeter, als wir die Shoppingmeile entdecken mit all ihren bunten Klamotten. Wir fluechten in ein - jawoll! - tibetisches Restaurant, staerken uns mit Momos. Denn am naechsten Morgen steht er da, unser Guide. Tika, 45 Jahre, Nepalese, kraeftig genug, um Marcos grossen Rucksack zu tragen, geschwaetzig genug, um selbst mich in Grund und Boden zu quatschen. Uns stehen acht Tage bevor, der Hoehepunkt soll das Annapurna Basecamp werden, 4100m hoch...

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