Viel zu spät begreifen viele die versäumten Lebensziele: Freude, Schönheit der Natur, Gesundheit, Reisen und Kultur. Darum, Mensch, sei zeitig weise! Höchste Zeit ist's: Reise, reise! - Wilhelm Busch

Samstag, 9. Oktober 2010

Auf gen Westen... mit Problemen... Teil 1

Es ist frueh, ueber Lhasa haengt noch ein Rest der Dunkelheit, als wir uns gegen 7 Uhr aufraffen. Im Toyota Landcruiser, alt, aber offensichtlich verlaesslich, geht es gen Westen. Unser erstes Ziel ist Gyantse, Tibets drittgroesste Stadt, ueber der immer noch eine Festungsmauer thront. Auf dem Weg dorthin geht es durch eine spektakulaere Landschaft. Die ersten hohen, schneebedeckten Berge erscheinen. Hohe Paesse sind zu ueberqueren. Gletscher schieben sich Berge hinunter. Im Radio bzw. von der angeschlossenen Speicherkarte herunter dudeln tibetische Lieder. Die Sonne strahlt, Norbu, der Fahrer, ebenso.

Es koennte alles schoen sein. Ist es aber nicht ganz. Meine zwei Begleiter haben sich mittlerweile voll auf Tashi, den Guide, eingeschossen. Finden es unmoeglich, dass er ab und an kostenlos essen kann, wenn er uns irgendwo hingeschleppt hat, wo wir essen koennen. Behaupten, er habe sogar von einem Laden Kommission gefordert und erhalten, der Sachen von Waisen und Behinderten verkauft. Denken, er habe Schuld dran, dass wir in Lhasa unser Hotel nicht verlaengern konnten, sondern in ein Schwesterhotel umziehen mussten. Dabei hatten die zwei sich vorher lautstark und schnippisch beklagt, dass ihr Zimmer nicht gut gewesen sei....ehrlich, denen haette ich als Manager auch nicht verlaengert... So geht es die lieben langen Tage. Ich weiss nicht, wie oft ich mir anhoere, dass sie ja sooo viel bezahlt haetten fuer die Reise (ich auch...). Ihr Geld hier, ihr Geld da. Und der Guide habe ja einen Akzent, also dass ich den verstehe, das verstehen sie nicht. Grammatisch isser ja gar nicht gut drauf, tstststs. Jede Beschwerde fuer sich genommen, mag noch gehen und manchmal lustig sein. Doch steter Tropfen hoelt den Stein. Wenn Madame sich beispielsweise im Auto vorbeugt, ihm auf die Schulter klopft und herrisch sagt "we want good weather on the pass, Tashi! So you think at 12 there will be no clouds?", dann koennt ich im Kofferraum verschwinden. Wer wuerde in Deutschland auf die Idee kommen, auch noch perfektes Wetter vom Guide zu verlangen? Und als dann tatsaechlich ein paar Wolken aufzogen.... nein, ich mag ihr Gesicht nicht beschreiben. Mir tat Tashi oft leid...

Auch dann, als er mal wieder Eintrittsgelder verlangte. Er verlangt sie ja nur stellvertretend fuer die Chinesen, die fuer jeden See, Berg etc Geld sehen wollen von den Touristen - und zwar in europaeischen Hoehen. Das macht nicht immer Spass, aber so ist es nun mal. Nein, meine beiden Begleiter legten jedes Mal los, wie unverschaemt das sei. Und liessen das an Tashi aus, der nicht schnell genug eine Erklaerung fand. Es war schwer, jedes Mal dieses Gezanke wegzudenken und stattdessen zum Beispiel auf den wunderschoenen tuerkis-gruenen Yamdrok-See zu blicken, auf den Karo-La-Gletscher, der Eisbruchkanten bildet, dass einem der Mund offen stehen bleibt, waehrend die Nomadenkinder bettelnd vor einem stehen und die Luft schon richtig duenn ist auf ueber 4000m. Zwischendurch entdecke ich wieder, wie klein die Welt ist. Ich treffe die Slowakin wieder, die neben mir im Flugzeug nach Peking gesessen hat. Beide stehen wir vorm Brahmaputra, einem der grossen Fluesse Asiens, die in Tibet entspringen. Wir sehen uns noch ein, zweimal. Kleine Welt...





Kurz vor Gyantse eroeffnet uns Tashi, er habe nun das Hotel fuer uns telefonisch gebucht. Meine Begleiter plustern sich auf, ausgemacht war, wir wuerden erst selbst schauen. Vielleicht hat Tashi es falsch verstanden. Vielleicht isser wirklich ein Schlitzohr. Jedenfalls muss man doch nicht gleich rumbruellen, und das im Auto. Ich entdecke meine sehr friedliebende Seite und versinke im Sitz. Schliesslich suchen wir unser Hotel selbst. Mein Zimmer erinnert mich an Korsikas Huette tief in den Bergen - das Ungezieferspray haengt ueberall in der Luft. Nunja. Das Palcho-Kloster hingegen ist sehenswert, auch wenn ich die Stufen hinauf schon von weitem verachtend anschaue. Wir sind mittlerweile knapp 4000m hoch. Ich schnaufe ordentlich, als ich oben ankomme. Raeucherwerk kitzelt meine Nase, warme Butterlampenluft schlaegt mir entgegen...



Abends treffen wir andere Deutsche auf Weltreise, mit denen meine Begleiter gleichmal ueber Unfaehigkeiten von Guides herziehen. Dass die Deustchen ihren Guide auch mal zum Essen einladen, ueberhoeren sie. Wir sitzen nachher bei einem gutem Essen, dass mir aber fast voellig vergaellt wird, als ich hoere, wie der chinesische Koch und Besitzer Tibeter hinauskomplimentiert, nach dem Motto, "Momo-Fresser kriegen nix". Momos sind gefuellte Teigtaschen. Sehr lecker! Sie brauchen nur ihre Zeit, bis sie fertig sind...

Am naechsten Tag fahren wir nach Shigatse, die 2.groesste Stadt Tibets. Es ist eine kurze Fahrt mit wenigen landschaftlichen Aenderungen. Das passt wem nicht? Ich muss es wohl nicht sagen... Es kann nicht immer ein Riesenberg vor einem stehen, oder? Hm... in Shigatse besuchen wir Tashilunpo, ein Kloster, das der erste Dalai Lama gegruendet hat. Es ist riesig. Normalerweise ist es der Sitz des Panchen Lama, des 2. hoechsten Lamas Tibets. Den echten Panchen Lama haben die Chinesen irgendwo versteckt, keiner weiss, ob er noch lebt oder nicht. Stattdessen haben Pekings Machthaber einen anderen, regierungstreuen Panchen Lama eingesetzt. Der lebt aber nicht in Shigatse, sondern schaut nur mal zu wichtigen Anlaessen vorbei. Obwohl sein Bild unter den Buddhastatuen steht - richtig akzeptiert wird diese Marionette nicht. Also ist es wieder ein irgendwie trauriger Besuch eines Klosters...





Wir bummeln noch so durch die Stadt und denken ueber den naechsten Tag nach. Wir haben unseren Plan geaendert. Wir fahren direkt zum Everest. Ein Deutscher hatte uns den Tipp gegeben, den Everest am Anfang mitzunehmen, da man auf diesem Wege eine Strasse nehmen muesse, die ueber einen 5200m-Pass geht, von dem man einen wunderbaren Blick auf vier bis fuenf Achttausender habe. Normalerweise haetten wir den Everest als Schlusshighlight gesehen, aber warum nicht ueber den schoenen Pass fahren. Abgemacht. Dann mache ich einen boesen Fehler. Ich gebe Infos preis. Zwar voellig bekannte, wie ich finde, aber sie fuehren zur wieder im schnippischsten Ton gefuehrten Diskussion. Ich sage, dass die Nacht im Everest Base Camp hart werden kann. Weil wir gut 1000m hoeher schlafen werden. Normalerweise sollte die Differenz zwischen dem einen und andren Schlafort nicht hoeher als 500m sein... Und dann zetert meine Begleiterin los, sie habe das ja nicht gewusst und ueberhaupt, warum habe Tashi das verschwiegen, wahrscheinlich bekaeme ich mit meinem Husten auch noch ein Lungenoedem und werde ganz krank, usw. Du liebe Guete. Meine liebe Mutter ist harmlos dagegen (und sei hiermit besonders gegruesst!).... Ich ueberlege nachts laenger im Bett, bevor ich einschlafe und der Wecker sehr frueh klingelt. Mit gemischten Gefuehlen schaele ich mich aus dem Bett. In der naechsten Nacht wird der Everest ueber meinen Schlaf wachen...

1 Kommentar:

  1. Oh Gott, wie schrecklich - solche Leute liebe ich ja auch :-o Hoffe, du hast dir diesen Teil deiner spektakulären Reise trotzdem nicht verderben lassen. Die Fotos sind echt gigantisch! Neid ;-)

    Liebe Grüße aus dem (morgens 0 Grad!)kalten Köln
    irina

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