Viel zu spät begreifen viele die versäumten Lebensziele: Freude, Schönheit der Natur, Gesundheit, Reisen und Kultur. Darum, Mensch, sei zeitig weise! Höchste Zeit ist's: Reise, reise! - Wilhelm Busch

Mittwoch, 27. Oktober 2010

Nepal Teil 3 - Es wird spirituell

Der Kopf liegt einfach so da. Abgehackt. Auf den Tempelstufen. Ein Bueffelopfer fuer Kali, die Goettin fuer Tod und Zerstoerung, aber auch Erneuerung. Kurz vorher ist der Rest des Tierkoerpers auf einer Fahrradrikscha abtransportiert worden, eine kleine Blutspur fuehrt wieder hinaus aus dem Durbar Square, dem historischen Platz in Kathmandu, wo der alte Koenigspalast steht, umringt von zahlreichen Tempeln, besetzt von Tausenden Tauben, umherstraeunenden Hunden und traege daliegenden Kuehen. Kuehe nicht gleich Bueffel, das musste ich erstmal lernen. Kuehe sind heilig in Nepal, wer eine Kuh toetet, wird genauso bestraft wie ein Menschenmoerder. Bueffel sehen den Kuehen nur aehnlich, werden aber geopfert und verspeist. Ersteres ist grade passiert, es ist einer der letzten Tage des Dashainfestes der Hindus, bei dem zahlreiche Tiere geopfert werden.





Ich umrunde einen der kleinen Tempel, als jemand an meiner Handtasche zupft. Ich blicke erschrocken ueber meine Schulter, herab auf eine alte Frau, die mir aber nicht an die Tasche will, sondern mich lediglich sanft rueberschiebt zum Priester, der jedem eine Tika auf die Stirn verpasst, auch mir. Mit einem Mal auf der Stirn geht es also weiter, vorbei an falschen Saddhus, heiligen Maennern in orangefarbenen Gewaendern und weiss gepuderter Haut, langen Rastas, bemalten Gesichtern. Doch die falschen Heiligen segnen nicht richtig, sondern halten viel lieber die Hand auf fuer Geld fuer Fotos. Nein danke. Wir wandern weiter hinauf zum Swayambunath, einem buddhistischen Tempel mit einer grossen Stupa auf einem gruenen Huegel, auf dem Affen herumtollen. Bevor sich Touristen einen Knoten in der Zunge holen, sagen sie daher auch, sie seien am Affentempel gewesen :-)




Oben angekommen versagt mir puenktlich der Akku meiner Kamera den Dienst, als kleine Aeffchen die Gebetsfahnen anknabbern, die Langtangberge am Horizont sich langsam rot faerben, Kathmandu langsam in der Daemmerung versinkt und Moenche in weinroten Gewaendern an den Gebetsmuehlen drehen. In der Luft liegt der Geruch nach Kraeuter-Raeucherwerk wie in Tibet. Typisch nepalesisch fuer Touristen hingegen das staendige Gedudel von Om mane padme hum von immer der gleichen CD. Ich werde es wohl nie wieder aus meinem Kopf kriegen...

Auch am naechsten Tag nicht, denn da dudelt es auch hin und wieder, als wir die grosse Bodnath-Stupa besuchen, eines der Wahrzeichen Kathmandus, noch groesser als die Stupa auf dem Affenberg, noch intensiver blicken die auf goldenem Grund aufgemalten Augen Buddhas auf die Pilger und Touristen hinab. Und noch tibetischer geht es zu rund um die Stupa. Kleine Kloester, unzaehlige Gebetsmuehlen, die uralte Reispapierrollen mit Gebeten enthalten, Pilger mit langem schwarzen Haar, in typischen Zoepfen gebaendigt, Menschen mit buddhistischen Rosenkraenzen in den Haenden, immer im Uhrzeigersinn um die Stupa gehend, Frauen in tibetischer Tracht, ich habe ein Deja-vu wie selten. Betrete schliesslich einen kleinen Klosterraum, in dem 2 Moenche sitzen, bestaune die goldenen Buddhas, naehere mich den freundlich drein blickenden Moenchen vorsichtig, werde herangewinkt. Ich habe es hundert Mal in Tibet gesehen, was folgen sollte. Einer der Moenche zeigt auf meinen Rosenkranz. Aus dem Jokhangtempel, sage ich ihm, er nimmt ihn, nickt anerkennend, laesst mich niederknien, behaelt den Rosenkranz, reibt ihn in den Haenden, beginnt, Mantras zu murmeln, beruehrt mit dem Kranz meinen Kopf, ich neige meine Stirn tief, als er mich weiter segnet, schliesslich einen dieser weissen Seidenschals nimmt, mir diese Katha um den Hals legt, mir meinen Rosenkranz wiedergibt und mich mit einem Laecheln entlaesst...




Am Vormittag dieses irgendwo magischen Tages besuchen wir Pashupathi Nath, einem heiligen hinduistischen Ort am Bagmatifluss, hier wird besonders Shiva gehuldigt, hier werden aber auch Tote verbrannt, deren Asche vom Fluss davongetragen wird, hin zum heiligen Ganges. Ehe wir uns versehen, haben wir einen Guide, der aber nicht nur unser Geld will, sondern uns auch wirklich sehr viel erklaert. So erfahren wir, dass es nicht erwuenscht ist, bei den Verbrennungen zu klagen und zu weinen, denn die Seele des Toten soll nicht verunsichert werden. Dennoch wird es spaeter herzergreifend, als ein Familienvater aufgebahrt wird. Eine der Toechter schreit, weint, Babaaa, Babaaa, ruft sie, beruhigt sich lange nicht, waehrend der Vater einwickelt in organgefarbenen Stoff mit den Fuessen im Fluss liegt. Das reinigt den Toten, bevor er aufgebahrt wird, ihm Familie und Freunde Blumenketten umhaengen, Abschied nehmen, indem sie den Toten drei- bis fuenfmal umrunden. Dem aeltesten Sohn oder der aeltesten Tochter (wenn die Mutter stirbt, soweit ich es verstanden habe) obliegt es dann, das erste brennende Holzscheit auf den Leichnam zu legen, an den Mund. Waehrend die Flammen langsam von dem Vater Besitz ergreifen, wird das Maedchen, das wieder laut weint, weggefuehrt, viele andere bleiben stehen, sie bleiben, bis alles verbrannt ist. Der Geruch, der herueberweht zu uns oben auf einem kleinen Huegel, laesst jeglichen Appetit auf Fleisch vergehen... wenige Meter neben dem brennenden Toten tollen Jungs im Wasser herum, spielen Ball, etwas weiter am Ufer wuehlen Menschen zwischen Plastiktueten und verkohlten Holzbloecken nach Ueberbleibseln der Toten, seien es nun Goldzaehne oder anderer Schmuck. Und in unmittelbarer Reichweite stehen kleine Tempel mit Fruchtbarkeitsstatuen, die von Paaren besucht werden, die sich Kinder wuenschen und dafuer Rituale vollziehen, die Schwangerschaft versprechen. Geburt und Tod liegen hier nah nebeneinander...





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