Viel zu spät begreifen viele die versäumten Lebensziele: Freude, Schönheit der Natur, Gesundheit, Reisen und Kultur. Darum, Mensch, sei zeitig weise! Höchste Zeit ist's: Reise, reise! - Wilhelm Busch

Samstag, 18. August 2012

GR20 Süd, 7. Etappe: Refuge Paliri - Conca

Der Wecker der Uhr piepst diesmal nicht ganz so früh, irgendwann gegen 7 Uhr, die Nacht war kurz, der Staub überall erinnert noch an den nächtlichen Hubschrauberbesuch. Wir krabbeln aus dem Zelt, die Wolken hängen tief über unseren Köpfen, kuscheln sich an die Felskulisse. Wir machen uns ein kleines Frühstück, draußen stehen auch Kocher, der heiße Kaffee ist also gerettet. Wenig später erscheinen auch unsere drei Deutschen, die Kleine hat den Heli-Einsatz offenbar tatsächlich verschlafen, ist mir schleierhaft, wie sie das geschafft hat, während sich ihre Mutter gegen die Zeltwand gestemmt hat, damit nichts umkippt. Schnell wird klar, dass wir den letzten Wandertag nicht alleine beschließen werden, sondern mit den anderen dreien.




Ich stehe solchen Zusammenschlüssen in meinem tiefsten Inneren skeptisch gegenüber, grade jetzt, wo ich viel mehr auf mein eigenes Tempo achten muss und gern vor mich hin trotte, hin und wieder Fotos mache, mich in Gedanken verliere, bis Haimon sich umdreht, kurz wartet und wir eine kleine Trinkpause einlegen. Geredet wird hin und wieder, aber unterm Strich ist es ruhig, in stillem Einverständnis. Damit war es nun aber vorbei. Nicht nur, dass die Kleine wie ein Automat zwei Stunden lang Kindernamen ausspuckte, obwohl wir mehrmals versichert hatten, absolut noch nicht darüber nachzudenken und nachdenken zu wollen. Um dieser Diskussion zu entgehen, wollte ich den Platz ganzen hinten als Letzte einnehmen. Da war aber schon die Mutter der Kleinen, die ihre Ruhe haben wollte, wie sie auch rundheraus sagte, was sie mir sogleich sympatisch machte. Also lief ich als Vorletzte, ließ mich mit ihr ein bisschen zurückfallen.



Kaum, dass wir etwas losgelöst von den anderen waren, begann der Sprechautomat HINTER mir, ich fiel fast vom Glauben ab. Und war eine Stunde später um viele Geschichten zu misslungener Kindererziehung, auf das Baby folgender Partnerschaftsprobleme und vieler aufgrund der Kinder begrabener Träume reicher. Zu allem Übel wurde es auch noch immer heißer, wir kamen ja in tiefere Regionen, was aber den ein oder anderen schweißtreibenden Aufstieg nicht ausschloss - wenigstens war da mal Ruhe. Eine Quelle unterwegs entpuppte sich als klitzekleines Rinnsal, in das wir ein Blatt legten, was den winzigen Wasserstrom in unsere Trinkgefäße umleiten sollte, während sich zig Mücken gütlich an nackten Wandererwaden taten.

Endlich erreichten wir das Tal, endlich die Gumpen mit ihrem kühlen Wasser. Die Franzosenjungs, die wir öfter sahen, aalten sich schon auf den Steinen und sahen uns belustigt zu, wie wir durchs Wasser quietschten. Die Abkühlung war bitter nötig, mittlerweile kam zur Mittagshitze auch eine drückende Schwüle hinzu, aber immerhin auch ein paar Wolken, sodass wir anschließend nicht mehr ständig unter der brennenden Sonne liefen. Dafür quälten mich wieder tausende Namensvorschläge, auch hatte ich keine Lust Name-Stadt-Land zu spielen, sondern wollte mich lieber innerlich von dieser schönen Landschaft verabschieden, die wir hinter uns ließen. Zuletzt begann Genöle von allen Seiten, dass der Weg jetzt aber eintönig sei. Waldbrände haben sich rund um Conca durch die Landschaft gefressen und nun sieht man statt Pinien eher Macchia. Immerhin finden wir am letzten Pass noch ein bisschen Schatten und Bäume, machen uns über geräucherten Schinken her, den Klaus auspackt und treten frisch gestärkt den Abstieg an, das Ziel vor Augen...



Es ist ein seltsames Gefühl. Asphalt unter den Schuhen. Häuser links und rechts. Ein Ortsteil, der sich Radicali nennt, irgendwie passend zu manchen Stellen des GR20, den wir hinter uns haben. Wir kommen vorbei an nach Marzipan duftenden Feigenbäumen, Blumen, sattem bewässerten Grün. Und landen in der erstbesten Bar, stürzen uns auf Orangina und Eis, ziehen die Wanderschuhe aus und genießen unseren Erfolg, sieben Tage, um die 7.000 Höhenmeter. Zwei Kanadier, die die drei Deutschen kennen, gesellen sich zu uns, beide haben den kompletten GR20 geschafft und sich mit entsprechenden T-Shirts eingedeckt.


Nach einer Stunde heißt es Abschied nehmen. Unsere Drei fahren mit dem Bus weiter zum Campingplatz am Meer, wo der Vater der Kleinen mit Geschwisterkind wartet. Wir erfragen noch schnell den Fahrplan nach Bonifacio bzw. erstmal Porto Vecchio für den nächsten Tag und trotten dann die Dorfstraße hinunter zu unserem Campingplatz, La Tonnelle. Wieder an einem Fluss, wunderbarer Schatten, warme Duschen mit einem Bewohner, einer respektabel großen Tarantel, die aber sehr schnell Reiß-Aus nahm, als sie Menschen bemerkte...

Das Abendessen war unsere Belohnung für die vergangenen entbehrungsreicheren Tage - 3 Gänge, Fisch bzw. Steak (was sonst, Haimon? ) und süßer Nachtisch. Ach, und nachts zahlreiche Düüüüd-düüüüüd-düüüüd der Zwergohreulen. Oh Corsica, je t'aime :-)

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