Viel zu spät begreifen viele die versäumten Lebensziele: Freude, Schönheit der Natur, Gesundheit, Reisen und Kultur. Darum, Mensch, sei zeitig weise! Höchste Zeit ist's: Reise, reise! - Wilhelm Busch

Dienstag, 7. August 2012

GR20 Süd, 6. Etappe: Refuge Asinao - Refuge Paliri

"Domani, variante alpina!!!" , morgen, alpine Variante, ja is klar, dachte ich mir am Vorabend, als ich dem kleinen Italiener die eitrigen Fersen verarztet hatte und er große Reden schwang. Und doch musste ich staunen, als er am nächsten Morgen fertig bepackt - und mittlerweile mit einem Shirt um die Rastas geschlungen, als Sonnenschutz - mit seinem Onkel da stand und dann zügig vor uns den Hang runtermarschierte. Wir wollten auf jeden Fall die alpine Variante des GR20 durch das Bavella-Massiv gehen.  Gut gestärkt mit dem Globetrottermüsli und einem halben Müsliriegel der Belgier schlossen wir uns den beiden aus Brescia an, ließen sie aber alsbald ziehen, irgendwo würden wir sie schon wieder einholen.


Der Weg war nämlich einfach zu schön, um zu hetzen. Felsen, Wolken in den Tälern, Blicke zurück zum Incudine. Wir wanderten an manchen zackig aufragenden Felstürmen entlang, bis sich schließlich die großen Türme der Bavella vor uns ausbreiteten, eine Waschküche des Teufels, wie der Nebel schnell über die Steine  strich, Wolken den Fels umhüllten, nur, um im nächsten Moment weiterzuziehen, nach oben aufzusteigen und sich im Blau des Himmels zu verlieren. Wir rasteten und blickten auf dieses Schauspiel, was unsere beiden Italiener schon eine Weile genossen und uns zu unserer Pause noch Süßkartoffelmarmelade reichten. Man hätte sich vorkommen können wie in einer verwunschenen Welt, wären da nicht die immer mal wieder auftauchenden Grüppchen schnaufender, rotgesichtiger Tagestouristen, die der Parkplatz am Bavella-Pass angelockt hat und die sich nun übermütig in ihr Abenteuer stürzen, manche völlig ohne Wasser zur Mittagshitze wie ein paar Jungs, deren Gepäck aber eher doch auf eine größere Tour schließen ließ.





Mitten drin in der Bavella sahen wir dann, warum diese Variante nun vor allem "alpin" genannt wird. Ein etwa 10 bis 15 Meter hoher Fels lag mitten im Weg, nichts führte um ihn herum, man musste drüber. Zur Hilfe gab es eine schwere Eisenkette, an der man sich entlanghangeln konnte. Das war ein Spaß, wenn auch ein schweißtreibender :-)


Weniger spaßig war der Abstieg hinunter zum Pass. Erst ließ sich der Weg nicht recht finden. Und dort, wo die Markierung dann zu sehen war, war nicht unbedingt bestes Durchkommen. Ein steiler, steiniger und rutschiger Pfad schlängelte sich in engen Serpentinen bergab, unerbittlich der Sonne ausgesetzt. Wer das ohne Wanderstöcke machen muss, der tut mir leid. Nicht besser als der Abstieg ist das, was einen unten erwartet, mal von den Kletterern abgesehen. Massenhaft Autos, reinste Blechlawinen, umzäunte Areale, Benzingestank, nölige Stadtkinder mit noch nöligeren Eltern auf Ausflug, was für eine Show. Immerhin, der Ausblick auf eine kühle Orangina und endlich wieder einen frischen Salat ließ mich das alles ignorieren und wir betraten die erstbeste Terrasse eines Restaurants. Während ein Kellner sich noch bemühte, zu lächeln und irgendwie nett zu sein, setzte seine junge Kollegin von vornherein ein Gesicht auf, als hätte sie eben an unseren Wanderschuhen gerochen. Mit spitzen Fingerchen und ausgestrecktem Arm servierte sie uns den Salada Nicoise, in dem alles drin ist, was man so braucht: Von der Kartoffel über die Tomate hin zu den Sardellen, die Haimon kurz mit einem Kellnerinnen-ähnlichen Blick bedachte, bevor er sie dann doch vertilgte.


Gut eine Stunde später waren wir auch schon wieder im Wald, hatten noch etwas Proviant gekauft und an der Dorfquelle Wasser gezapft. Nach ein paar Kilometern wurde es wieder sehr ruhig und am nächsten Anstieg waren wir schon wieder allein, allein mit dem Blick zurück auf die grandiosen Wolkenschauspiele der Bavella. Und dann standen wir da, auf einem der letzten Pässe des südlichen GR20, der Foce Finosa auf 1.206m, blickten hinunter auf die Wälder, das Türkis des Meeres an der Küste, das Blau der Mietzelte des letzten Refuges, immer noch ein gutes Stück weg, eine knappe Stunde. Wir guckten so in die Runde, schälten unsere wunderbar saftigen Orangen und waren fast etwas wehmütig.



Der Abstieg immer am Hang entlang war ein Spaziergang. So schafften wir es auch noch pünktlich zur Bestellung des Abendessens, hatten am Tisch dann redselige Franzosen um uns herum, die Basken einen Tisch weiter begannen zum Nachtisch auch noch zu singen, es wurde kühl, aber nicht mehr so kalt wie sonst, es war ganz einfach friedlich. Komplettiert hatten das Ganze übrigens noch unsere 3 Deutschen, die kurz nach dem Essen auch ankamen...

Wir hatten unser Zelt auf einer schönen ebenen Fläche aufgestellt. Erst wollte ich es noch weiter oben, wo es noch glatter war, hinstellen, doch Haimon hatte da so eine dumpfe Ahnung, dass es keine gute Idee ist. Es stand ja gar keiner dort, bei der Fülle an Zelten weiter unten verwunderlich. Nunja. In der Nacht haben wir dann erfahren, warum selbst unser letztendlicher Platz nicht wirklich gut war...



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