Viel zu spät begreifen viele die versäumten Lebensziele: Freude, Schönheit der Natur, Gesundheit, Reisen und Kultur. Darum, Mensch, sei zeitig weise! Höchste Zeit ist's: Reise, reise! - Wilhelm Busch

Montag, 13. Dezember 2010

Nachtrag

Ich konnte es nicht recht glauben, als ich am Freitag in die eisgekühlte Skytrain stieg. Das sollte nun der letzte Tag sein, drei Monate waren vorbei... dafür hatte ich mir noch einmal vorgenommen, ein paar unbekanntere Ecken Bangkoks zu erkunden. Begonnen habe ich allerdings erstmal im Jim Thompson Haus, was man noch in jedem Reiseführer findet. Jim Thompson hat die thailändische Seide weltweit bekannt gemacht und sich ein idyllisches Heim geschaffen an einem der Kanäle, die Bangkok durchziehen. Leider verschwand der gute Mann spurlos in den 60ern irgendwo in Malaysia. Doch die Marke Jim Thompson hat bis heute überlebt, feinste Seidenschals, Krawatten, Blusen, Kissenüberzüge, all das gibt es immer noch zu kaufen.

Gleich auf der anderen Seite des Kanals liegt Baan Krua, das Viertel, aus dem Thompson früher seine Stoffe bekommen hat. Auch heute noch findet man Schneider und Weber im dorfähnlichen Stadtteil, in dem man sich wieder so fern fühlt von Bangkoks verstopften Straßen, den Wolkenkratzern und Schickimicki-Leuten. An jeder Ecke brutzeln Essensverkaeufer leckere Snacks, oft noch in dicken Tongefaessen, die direkt auf einem kleinen Feuer stehen, hier schlappen Moslems in langen Kaftanen am Kanal entlang und halten hie und da ein Schwätzchen, bunte Blumen wuchern aus den Tontöpfen an den kleinen Holzfenstern, aus denen der Duft von Räucherstäbchen zieht, ab und an donnert ein Bootbus vorbei, lässt das dreckige Wasser des Kanals fast überschwappen. Mich begleitet ein älterer Australier, dem ich im Jim Thompson Haus begegnet bin. Er ist Berater für Textilfirmen und überglücklich, hier mal an der "Quelle" zu sitzen. Wir gucken vielen Menschen bei der Arbeit zu, wie sie an alten Nähmaschinen sitzen, an Bügeleisen stehen und Hemd für Hemd, Hose für Hose auf riesige Stapel am Eingang legen. Das ein oder andere Stück wird wahrscheinlich irgendwann auch bei H&M oder C&A landen. Es ist eine harte Arbeit, keine Frage, und dennoch lächeln die Arbeiter uns zu, halten kurz für einen Schwatz inne.


Käfige mit Singvögeln...




Nach diesem Spaziergang fernab jeglicher Touristenpfade stärken wir uns mit einer wunderbar scharfen Nudelsuppe, der Australier kommt aus dem Schwitzen gar nicht mehr raus, freut sich aber drüber und haut dem Nudelsuppenverkäufer mehrmals derart begeistert auf die Schulter, dass auch dem wohl bald der Schweiß ausbricht. Dann verabschiedet sich der Aussi und ich hüpfe auf eines dieser Boote, die im Affenzahn den Kanal entlangrasen. Kaum, dass ich mich reingequetscht habe, steht neben mir, draussen auf dem Rand des Boots, auch schon der Ticketverkäufer. Er balanciert, hält sich mit einer Hand fest, trägt einen Helm und Flipflops. Herrlich :-) Kurz danach bekomme ich das Dach des Boots auf den Kopf, weil ich mich nicht rechtzeitig bücke. Denn wir müssen unter einer Brücke durchfahren, sind dafür aber zu groß. Also wird kurzerhand das Dach etwas runtergekurbelt. Normalwüchsige Thais kriegen das gar nicht mit :-)






An der Endstation steige ich auch aus. Denn gleich in der Nähe liegt der Goldene Berg. Ein Hügel, auf dem ein Tempel steht. Der kleine Anstieg lohnt. Zu Füßen liegen ein paar kleine, alte Viertel Bangkoks, schiefe Holzhäuser, Blechdächer, der Lärm gackernder Hühner schafft es bis hinauf auf den Tempel. Gleich neben den Hütten stehen prächtige Tempel mit goldenen und roten Dächern, etwas weiter weg sind schon wieder die ersten höheren Gebäude zu sehen, das Glitzern des Chao Praya Flusses, und der Horizont wird bedeckt mit den Wolkenkratzern, Bürogebäuden und Luxushotels. Die Sicht ist relativ klar, nur wenig Dunst liegt in der Luft. Untermalt wird die Aussicht von einem Mantra, was aus den Lautsprechern hallt und mich etwas an die tibetischen Tempel erinnert. Gläubige Thais knien vor dem Schrein, der einige Überreste Buddhas enthalten soll.  Mönche ziehen vorüber. Ich sitze im Schatten und beobachte und bin in diesen Momenten so fern davon, am nächsten Tag in der Kälte zu sitzen...




Auf dem Rückweg schlendere ich einfach drauflos und lande erst in einer Straße, in der sich Tischler und Drechsel angesiedelt haben. Auch hier kann man allen beim Arbeiten über die Schulter gucken. Weiter geht es dann mit einer Straße für Autoersatzteile und Reifen. Ich bin weit und breit die einzige Frau und erst recht der einzige Westler. Ob ich noch auf dem richtigen Weg bin, weiß ich nicht genau. Und hier merke ich eine Veränderung in mir. Früher wäre ich ganz automatisch ein bisschen schneller gegangen, das ein oder andere Lächeln wäre gequälter gewesen. Jetzt aber bummle ich in genau dem gleichen Tempo weiter, schlurfe ab und an regelrecht wie die meisten Thais und schaue mir die Gesichter, die mich neugierig, ungläubig und auch belustigt anblicken, genau an, grüße hier und da und schlappe einfach weiter, die Straße ändert sich wieder, jetzt sind die Uhrenhändler dran, dann die Spielwarenverkäufer und irgendwie stehe ich dann plötzlich mitten drin in Bangkoks Chinatown, ein Gewühl um mich herum. Und doch, in der nächsten kleinen Gasse ist es wieder still, bis die nächste Straße quert, in der sich Leute entlang schieben und tatsächlich Weihnachtsdeko angeboten wird.


?!




Mir tun langsam die Füße weh, als ich den Chao Praya erreiche und mich an der Bootshaltestelle auf eine Bank plumpsen lasse. Die Sonne geht schon unter, ein schönes Abendrot. Mein letztes hier in der Stadt der Engel. Ich schaue auf die Uhr. Ich rechne. Es reicht noch für einen Abendimbiss und eine Stunde Fußmassage. Dann muss ich los. Die Massagefrau verpasst mir zum Abschied noch ein paar ganz besondere Griffe, gut zum Schlafen im Flugzeug, meint sie. Das Schlafen wird in der ersten Etappe von Bangkok nach Dubai dank ein paar argen Windböen ein bisschen holprig, selbst im großen A380. So träume ich denn, dass wir zwischenlanden müssen und frage nach dem Aufwachen meinen Sitznachbarn, wo wir nun runtergehen, als ich merke, dass das Flugzeug schon sinkt. "Na Dubai, natürlich", meint er. Oh! Da hat die Massage wohl doch gewirkt...

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen