Viel zu spät begreifen viele die versäumten Lebensziele: Freude, Schönheit der Natur, Gesundheit, Reisen und Kultur. Darum, Mensch, sei zeitig weise! Höchste Zeit ist's: Reise, reise! - Wilhelm Busch

Donnerstag, 26. Juni 2014

Von Gletschern und Kanten

Wanaka begrüßt uns mit strahlendem Sonnenschein an diesem Morgen. Wir fahren den Bergen entgegen, die Mount Aspiring Road entlang. Erst Asphalt, dann Gravel, Schotter. Unser Camper macht alles mit, nimmt uns nichts übel. Oskar freut sich wie ein Schneekönig und prustet drauflos, fährt selbst mit, fuchtelt wild in der Gegend rum und entdeckt seit neuestem seinen Zeigefinger, den er zielstrebig in die Luft vor sich bohrt, dadadadadadaaaaa!




Wir rumpeln über die sogenannten Cattle Stopps, Gitter über der Straße, über die Kühe und anderes Vieh nicht laufen könnten, weil sie durchplumpsen würden mit ihren Beinen. Dafür stehen Schaf, Kuh und Hirschlein am Wegesrand rum und scheinen nur drauf zu warten, dass ein Auto mal aufgibt, wenn es durch die Furth fährt, die zugegeben bei mir für Argwohn sorgt, da man überhaupt nicht sieht, wie tief das Wasser wirklich ist. Doch wir werden entschädigt für den holprigen, manchmal nassen Weg - endlich zeigt er sich uns, der Mount Aspiring. Vom Matterhorn hat er immer noch nicht viel, doch wunderschön ist er trotzdem, seine Schneeflanken wirken beinahe unwirklich vor diesem strahle-blauen Sommerhimmel. Und neben ihm erheben sich noch weitere Giganten. Da müssen wir hin!

Der rechte ist's - der Mount Aspiring :-)




Die Mount Aspiring Road endet irgendwann nach gefühlt 1.000 Cattle Stops und 100 Furthen. Ein großer Wanderparkplatz in einem idyllischen Flusstal mit, wie sollte es anders sein, super sauberen Toiletten. Wir erledigen, was erledigt werden muss, setzen Oskar in die Manduca und marschieren los. Erst wollen wir zu einer Berghütte, entscheiden dann aber anders. Dorthin wandern verhältnismäßig viele Leute, der Weg führt sanft auf und ab am Fluss entlang, aber immer in der Sonne. Zu warm, sagen wir und biegen ab auf die Hängebrücke. Oskar hüpft noch einmal in seiner Manduca euphorisch auf und ab, mit Wasser kann man ihn auch kurz vorm Umfallen noch begeistern. Als der Weg in den schattigen Wald einbiegt, ist auch in der Manduca Ruhe. Der Vormittagsschlaf hat den kleinen Mann überkommen. Wir dagegen leisten was - es wird steil, teilweise etwas ausgesetzt an rutschigen Wiesenhängen, was eine Familie in Flips Flops und mit Höhenangst zum Rückzug zwingt. Unterwegs warnen auch öfter Schilder, dass der Weg nicht wie andere Pfade vom DOC gewartet wird. Mehrere Male passieren wir Erdrutsche und umgestürzte Bäume. Bisschen Abenteuer halt! Und das lohnt sich. Wir sehen das Weiß schon durch die Bäume schimmern, dann lugt es schon ab und an hervor - wir nähern uns gigantischen Gletschern.





Schon am ersten Aussichtspunkt kriegen wir große Augen. Was da am Berg hängt, ist unglaublich. Tonnen schweres Eis, Schnee, komprimiert zu Wänden, immer wieder durchbrochen, weil der Gletscher nachsackt, abbricht, mit Getöse den Steilhang runterpoltert, über Wasserfälle hinweg, tief hinab, irgendwo dort, wo der Fluss beginnt. Oskar ist mittlerweile auch wieder wach. war wohl zu verführerisch, das Flussrauschen unter uns. Bis zum zweiten, größeren Aussichtspunkt ist es nicht mehr weit. Nach ein paar Serpentinen, die der kleine Pfad durch den Wald dreht, steht man da, vor einem wieder der Rob Roy Gletscher, daneben ein hoher, zarter Wasserfall, den der Wind manchmal so zerzaust, dass nur eine Nebelfahne schräg rüber weht. Die Sonne scheint über die Bergwiese, die übersät ist mit zahllosen Felsbrocken, auf denen schon ein paar Wanderer rumturnen. Wir gesellen uns am Aussichtspunkt auch dazu und machen Mittag, während Oskar erstmal jeden Stein erkrabbelt und, natürlich, erschmeckt :-)


Gigantischer Rob Roy Gletscher







Wir wollen uns gar nicht recht lösen von diesem wunderschönen Panorama. Doch irgendwann muss es ja zurück gehen. Unterwegs wage ich noch ein kurzes Bein-Bad im eisigen Fluss, es zwickt und zwiebelt gehörig. Oskar nickt kurz darauf zum Nachmittagsschläfchen weg. Perfekt. Wir kommen nach einer guten Stunde wieder im Tal an, wandern an Kuh- und Schaf-Familien vorbei zurück zum Camper. Alles ist so kitschig idyllisch hier. Hachja.





Oskar hat einen wunderbaren inneren Wecker und erwacht kurz vorm Ziel. Und hat erstmal Hunger. Im Schatten des Campers lassen wir uns auf dem Boden kurz nieder, Oskar kniet, knabbert am Keks, hampelt bisschen rum - und verliert dabei das Gleichgewicht. Knallt volle Kanne mit der Stirn gegen die Kante der Schiebetür. Wieder bleibt ewig lang die Zeit stehen, schießen die Bilder von seinem Sturz aus dem Camper uns durch den Kopf. Oskars Gesicht ist schmerzverzerrt, läuft leicht blau an, weil er um Luft ringt wie immer, wenn er im nächsten Moment ohrenbetäubend-herzzerreißend losschreit. Wie gebannt starren wir auf die ungefähr 2cm lange Delle an seinem Kopf, an der sich erste kleine Bluttropfen zeigen. Platzwunde oder nicht, Platzwunde oder nicht.... ich reiße Oskar zu mir, drücke ihn erstmal an mich, während Horrorszenarien voller Blut in meinem Kopf entstehen, schaue wieder auf seine Stirn, doch außer den kleinen Tröpfchen ist nichts zu sehen, Oskar brüllt auch schon weniger stark, und nach sage und schreibe ein, zwei Minuten ist alles (fast) vergessen und er mümmelt seinen nächsten Keks. Schockschwerenot! Seine Kerbe behält er lange, der Kleine. Den Schreck verwindet er schneller als wir. Erst, als wir wieder auf der Straße sind, den Mount Aspiring nochmals bewundern, Oskar derweil sein Baby-Mum-Mum verknuspert, erst dann lässt der Schreck nach.

Abendessen am See

Heute abend zeigt auch er sich am See - der Mt Aspiring

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