Viel zu spät begreifen viele die versäumten Lebensziele: Freude, Schönheit der Natur, Gesundheit, Reisen und Kultur. Darum, Mensch, sei zeitig weise! Höchste Zeit ist's: Reise, reise! - Wilhelm Busch

Dienstag, 5. August 2014

Vom Regen zum Schnee zur Sonne

Es ist die härteste Nacht für unseren Camper. Er wird vom Sturm durchgerüttelt und vom Regen gepeitscht. Stundenlang. Der Toyota Hiace schaukelt und wackelt. Was wäre, wenn wir nicht drin sitzen würden? Besser: drin liegen. Denn mittlerweile schockt uns nichts mehr, was draußen abgeht. Unsere einzige Sorge ist mal wieder: Wie bleiben wir trocken? Zwischen uns liegt oben ein selig schlummernder Oskar, weiter unten ein tiefer Teller, der die Tropfen, die beharrlich aus der Lüftung im Dach kommen, auffängt. Doch nicht nur von oben droht Ungemach. Auch von der Seite. Der Wind drückt den Regen waagerecht an unsere Fenster. Der alte Gummi ringsum hat es aufgegeben und lässt mittlerweile recht viel durch, was unsere Matratzenränder einnässt. Wir behelfen uns mit den aufgerollten Handtüchern, die wenigstens ein bisschen die Nässe fernhalten sollen. Doch wir trösten uns auch: In der Nähe hocken verzweifelte Camper in Zelten. Das muss noch viel ekliger sein.

Bei dem Wind draußen besser festhalten!

Irgendwie gibt es mal ein kurzes Wolkenloch und wir sprinten mit Oskar unterm Arm und den Frühstückssachen rüber in den kargen Küchenraum. Unsere Franzosen sind auch schon da. Hart im Nehmen, die drei, planen sie doch eine Wanderung, komme, was wolle. Wir haben so gar keine große Lust aufs Nass werden und fahren erstmal in den Ort ins Café. Sehr urig, der Laden, wenn auch teuer. Das Old Mountaineers‘ hatte Sir Hillary persönlich eröffnet. Und irgendwas vom alten Bergsteigergeist ist auch geblieben, und sei es nur der Charme einer rustikalen Hütte. Weitere große Sehenswürdigkeit vor Ort ist das Visitor Center nebenan – ohne Witz. Denn neben dem DOC-Büro, das heute vernichtende Wetterprognosen für uns parat hält, ist hier ein wunderschönes Museum untergebracht, das sich der Bergwelt verschrieben hat. Ich klebe lange an Berichten über verschollene Bergsteiger, an alten Bildern von Hillary und Co, alten Filmen, während Oskar die ausgestopfte Gams an der Treppe für sich entdeckt und im Untergeschoss, dass sich der Flora, Fauna und Geografie der Berge und weiteren Besonderheiten des Bergsteigens widmet, fröhlich quietschend all die anderen Exponate begutachtet (heißt, schöne Fettfinger und begeisterte Spuckereste an angetatschten und –geleckten Vitrinen hinterlässt…). Wir verbringen hier den ganzen Vormittag, dank des schlechten Wetters. Zum Mittagessen sitzen wir dann wieder im Old Mountaineers‘ und treffen – natürlich die Franzosen. Die empfehlen uns auch bei schlechtem Wetter, rüber zum Tasman Lake zu fahren, in den der Tasman Gletscher kalbt, und auf dem noch richtige Eisberge rumschwimmen. Na gut. Auf geht’s!

Wir schreiben den 2. Januar. Winter in Deutschland – und in Neuseeland grade auch. Es sind tatsächlich kleine, nasse Flöckchen, die der Wind uns ins Gesicht klatscht und die Oskar in der Manduca sitzend mit seinem Mund erhaschen will. Wir sind dick eingepackt, kommen trotz der äußeren Kälte aber ins Schwitzen, so steil geht es hinauf auf einen Hügel, dem Moränenwall des Tasman Gletschers. Von oben blickt man auf die Blue Lakes. Eigentlich sehen wir nur einen See, aber egal, wir ahnen, wie schön das Panorama erst sein muss, wenn das Wetter besser ist. Eine Deutsche neben uns beäugt uns und den mittlerweile schlafenden Oskar. „Mein Sohn hat hier mit gut zehn Monaten seinen ersten Schritt gemacht“, sagt sie dann. Aha. „Und er hat mir immer vorgeworfen, dass er sich an nichts von der wunderschönen Reise damals erinnern kann, viele Jahre lang.“ Oh. „Und nun sind wir wieder hier. Wir besuchen ihn beim Work and Travel und nehmen ihn dann wieder mit heim.“ Sagt’s und klopft einem jungen Mann um die 20 auf die Schulter. Schluck. Ob Oskar auch mal so wird?! …

Blue Lakes

Schneeflocken essen!

Wir stapfen weiter gegen den eisigen Wind. Nur ein Hügelausflug reicht uns nicht, wenn wir schon mal hier sind, wollen wir alles sehen. Die Eisberge! Und tatsächlich, schmutzig-grau-braun liegt er da, der Tasman Lake. Und zwischendrin funkelt es bläulich-weiß. Mehrere Brocken Gletschereis schwimmen auf dem Wasser. Ziemlich große Brocken. Wir starren aufs Wasser, erkennen die Gletscherkante, die mehr als haushoch sein soll, doch so weit weg ist, dass man es gar nicht einschätzen kann, wie groß hier wirklich alles ist. Der Himmel sieht immer noch nicht freundlicher aus. Also kehren wir schweren Herzens dem Aoraki den Rücken zu. Hat er sich diesmal also versteckt, der Mount Cook. Schade. Müssen wir eben wiederkommen J





Das Faszinierende an der Weiterfahrt war der Wetterwechsel. Auf einmal war sie wieder da, die Sonne, leuchtete der Lake Pukaki neben der Straße wieder unwirklich türkis, strich die Luft wieder wohlig warm übers Gesicht. Nur die Waschküche hinter uns zeugte noch vom eisigen Vergnügen des bisherigen Tages.

Wir fahren mal wieder auf einer der schönsten Straßen der Welt. Hochlandsteppe mit blühenden Blumen versetzt neben uns, in der Ferne schneebedeckte Berge. Ab und an türkise Kanäle, Teile des gigantischen Wasserkraftprojektes hier. Unser Ziel ist der Lake Tekapo. Der Campingplatz direkt am Wasser soll begehrt sein, wir sind aber schon echt spät dran. Alternativen gibt es so richtig nicht, will man nicht illegal frei campen. Als wir die Einfahrt runterruckeln, sehen wir’s schon: Voll. Oh weh. Doch die Besitzer machen gute Geschäfte mit den Zu-spät-Kommern. Die dürfen nämlich trotzdem rein, können direkt am Kiefernhain vorm Ufer stehen. Einzig Toiletten und Küchen sind ein ganzes Stück weit weg. Aber wen schert’s, bei dem Panorama?!



Lichtspiele am Lake Tekapo

Nur einer ist uns gefolgt. Mal wieder. Der Wind. Am Lake Tekapo bläst er genauso unerbittlich wie am Mount Cook. Oskar versucht sich mal wieder am alleine Laufen, doch bei dem Gegendruck – keine Chance. Und die Steine hier, ach, die sind doch auch ganz nett. Werden die eben angeleckt und rumgeworfen!


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