Was für ein Wetter! Die Nacht noch nass und kalt und nun –
nun strahlt die Sonne, als hätte sie etwas anderes getan. Vom eisigen Wind
keine Spur mehr. Kaum, dass sich ein Grashalm wiegt. Der Nachteil: Nicht nur
wir sitzen wieder draußen und haben Frühstückshunger, sondern auch die
Sandflies. Das Fjordland ist ohnehin verschrien, was diese blutrünstigen
Biester angeht. Da ist das, was wir an diesem Morgen erleben, ja gar nichts
gegen andere Geschichten. Nichtsdestotrotz fahren wir schnell weiter. Denn wir
wollen noch vor den großen Touristenmassen am Milford Sound sein. ist ja nicht
mehr weit. Vor uns eine der landschaftlich schönsten Straßen der Welt. Mit
einem der hässlichsten Tunnel der Welt…
Es geht zuerst noch recht eben entlang des tiefen Tals,
bevor die Straße dann langsam ansteigt. Und plötzlich wird die Landschaft
alpin, sind felsige, vereiste Bergflanken zu sehen, ringsum ist man
eingekesselt von den Giganten, hunderte Wasserfälle, vom kleinen Rinnsal bis
zum brausenden Ungetüm, suchen sich den Weg hinab. Und wir mittendrin in diesem
grandiosen Naturschauspiel, zusammen mit einigen Touristen aus Asien, die auch
schon unterwegs sind. Wir bekommen recht bald geflügelte Gesellschaft. Freche
Keas, Bergpapageien, die nichts schockt und die besonders Autos recht
interessant finden. Denn irgendwo sitzt dann doch ein Tourist, der die Vögel
verbotenerweise füttert. Und wenns nix gibt, wird eben versucht, den
Scheibenwischer zu zerlegen und die Frontscheibe anzuhacken.
Und dann kommt er, der Tunnel. Zum Glück gibt’s ne Ampel und
man muss nicht auch noch rückwärts wieder rausfahren, wenn Gegenverkehr kommt.
Doch das wars auch schon mit den Vorzügen. Es ist dunkel, es ist nass, das
Wasser drückt sich überall durch. Und es ist ein Tunnel mit Gefälle. Das fällt
mir erst auf dem Rückweg später so richtig auf, als wir bergauf fahren müssen.
Dass die Aussicht bei der Ausfahrt auch spektakulär ist, hilft ein bisschen.
Auch wenn der Fahrer es wohl nicht ganz genießen kann, denn die Kurven
verlangen schon bisschen Aufmerksamkeit.
Und dann sind wir da, auf dem großen Besucherparkplatz,
schnappen unsere Sachen und laufen schnellen Schrittes zum kleinen Hafen. Und
können schon hier dieses wunderschöne Panorama genießen. Der Mitre Peak mit
stahlblauem Himmel im Hintergrund. Das ruhige, ebenfalls tiefblaue Wasser des
Fjords. Wahnsinn. Wir bekommen auch gleich Tickets für das nächste Schiff, auf
einer kleinen Linie. Doppelwahnsinn. Oskar teilt unsere Begeisterung, denn auf
dem Schiff ist er erstmal der Mittelpunkt, wie er rumkrabbelt, brabbelt und
quietscht und lacht und an den Vertäuungsvorrichtungen rumdreht, als wär’s ein
Steuerrad. Eine asiatische Familie schließt ihn gleich derart in ihr Herz, dass
wir befürchten, sie nehmen ihn gleich ganz mit. Oskar drückt und herzt zurück,
hach, er soll sogar mal das Hütchen absetzen, damit man mal übers golden
gelockte Engelshaar streicheln kann. Manmanman, das ist manchmal schon ganz
schön verrückt J
Der Kapitän entpuppt sich als echt guter Erzähler, während
wir Wasserfälle entlang der Strecken ansteuern, Robben beim Sonnenbaden zuschauen
und vor allem immer wieder diese friedliche Eleganz des Fjords bewundern, und
den strahlenden Sonnenschein. Normal ist der hier nämlich nicht, versichern uns
viele. Die meisten Besucher sehen im Milford Sound Nebelschwaden und werden
nicht nur beim Anfahren eines Wasserfalls nass.
Kurz vorm Ende der Tour ist unser kleiner Kapitän selig in
der Manduca eingeschlafen. Im einzigen richtigen Restaurant des Orts zahlen wir
einen horrenden Preis für ein paar Pommes, bevor wir auch schon den Rückweg
antreten. Nicht ohne Zwischenhalt, denn auch auf der Strecke lockt so einiges.
Größere Wanderungen wollen wir Ossi aber nicht zumuten und beschränken uns auf
den Besuch der „Chasm“. Hier hat sich ein Fluss so spektakulär tief ins Gestein
gefressen, dass man ihn teilweise kaum noch sieht, nur das ohrenbetäubende
Rauschen und Sprudeln zeugt von seinem Dasein, dass sich wenig später in
Wasserfälle ergießt. Oskar findet besonderen Gefallen an den Brücken mit ihren
Gitterböden, durch die er kleine Steinchen durchpulen kann. Und auch hier wird
er wieder zum kleinen Star, diesmal hat es eine amerikanische Familie auf ihn abgesehen.
Deren kleine Tochter knuddelt Oskar, der es zu genießen scheint, während Mama
mit der Kamera draufhält. In Bayern seien sie schonmal gewesen, sagen die Amis,
soooo beautiful, jetzt leben sie erstmal bisschen in Neuseeland. Oskar mag sich
kaum trennen. Doch wir haben noch ein bisschen Fahrt vor uns, wissen noch gar
nicht recht, wie weit wir wollen. Oskar schläft kurz nach dem grausligen Tunnel
ein und somit wissen wir: mindestens bis Te Anau fahren wir zurück.
In Te Anau haben nun nach den Feiertagen wieder alle
Geschäfte geöffnet. Oskar wacht wie immer pünktlich am Supermarkt auf und freut
sich wie Bolle, wieder im Einkaufswagen sitzen zu dürfen. Und da er danach auch
noch gut drauf ist, wagen wir noch ein bisschen Fahrt an diesem späten
Nachmittag. Unser Reiseführer hat eine Zeltplatz am Manapouri-See empfohlen,
die Possum Lodge. Und tatsächlich, es ist ein Kleinod. Wir ergattern den
letzten freien Platz, stehen zwar eng, aber alles, von der niedlichen Küche
über die Dusche bis zum Toilettenhäuschen, hat einen wunderbaren Charme, ist
dekoriert und sauber, alles hat einen Wohnstübchen-Charme, dass wir bedauern,
nur eine Nacht hierzubleiben. Unsere Nachbarn sind auch Deutsche und mit ihrem
kleinen Sohn Paul unterwegs. Sie kommen grad von der Catlins Coast, wir wollen
dorthin. Nachdem die lieben Kleinen im Bett sind, die Wäsche getrocknet und
verstaut, sitzen wir noch lange draußen und tauschen uns aus. Seltsam für uns
ist, dass die beiden noch am Anfang ihrer Reise stehen. Und uns immer bewusster
wird, dass wir bereits die letzten anderthalb Wochen vor uns haben…
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