Und plötzlich ist er da, der Abreisetag. Die Rucksäcke
stehen bereit, jeder schleppt seine Kraxe und seinen Handgepäckrucksack, auch
Oskar darf 10kg Gepäck aufgeben. Darin verpackt: Pampers, warme Sachen, dünne
Sachen, viel zu viel, wie wir später feststellen. Lätzchen hatte er fast nie um
und in manche Sachen hat die kleine Fliege auch nach zwei Monaten noch nicht
reingepasst. Aber besser man hat, als man hätte. Oder eher nicht, zumindest, was
Haimon betrifft. Denn der hat am Morgen des 11. November nun tatsächlich
Bauchschmerzen. Was Schlechtes gegessen? Oder doch nur Aufregung? Zum Überlegen
bleibt nicht viel Zeit. Der Taxifahrer steht tatsächlich eine Viertelstunde
früher als bestellt vor der Tür. Also Hals über Kopf Oskar in den Maxi Cosi
hieven, beten, dass alles Gepäck inkl. Buggy in den Kombi passt, alle losen
Sachen zusammenklauben, der Schwiegermutter Tschüß sagen, hastig nach Pässen
und Geld in der Tasche tasten und zack, Autotür zu. Oskar fällt sofort in den
Entspannungsmodus. Erstmal ne Runde schlafen. Selbst das kühl-nasse Wetter am
Hauptbahnhof macht ihm nix. Ossi ratzt.
Die parat stehenden Großeltern sind
verzückt – und besorgt. Der arme Kleine. So ne weite Reise. Also, dass wir das
machen, nee… schnell bekommen wir noch sechs Wiener Würstchen und Brötchen in
die Hand gedrückt. Iss, mein Kind, stärkt die Nerven. Meine schwächt das grade
eher. Pünktlich mit der Einfahrt des Zuges wacht Oskar auf. Tschüß, Oma und
Opa. Die Türen schließen sich, Dresdens Altstadt verschwindet. Doch von
Entspannung keine Spur. Denn im winzigen Kleinkindabteil ist es voll. Eine
andere Mutter sitzt auf unseren Plätzen. Fortjagen will ich sie nicht, aber so
ganz zufrieden bin ich nicht. Oskar kümmert‘s nicht, er wirft schon die
Spielzeugfiguren des älteren Mädchens durch die Gegend und freut sich über den
Krach. Erst ab Leipzig haben wir das Abteil für uns. Haimon schläft recht
schnell weg. Muss ja sein Bauchweh auskurieren. Oskar erkundet krabbelnd und
brabbelnd den halben Zug und sorgt für kurze Schreckmomente bei den Passagieren
der ersten Klasse. Oh-mein-Gott,-ein-lautes-Baby!!! Und es sabbert!!! Nein,
nein, wir gucken nur. Aufatmen. Glück gehabt.
Frankfurt Flughafen
Das Abschiedskomitee ist da. Meine liebe Freundin und ehemalige
Kollegin und ihr Freund. Haben wie meine Eltern auch an unser leibliches Wohl
gedacht und uns was zu Essen mitgebracht. Ohrenstöpsel wären auch gut gewesen,
denn wir geraten mitten in die Demo gegen Fluglärm. Den Lärm produzieren aber
die Demonstranten grad eher selbst. Und sprengen unser Grüppchen, minutenlang
wissen meine Freundin und ich nicht, wo unsere Jungs abgeblieben sind. Ist aber auch alles
unübersichtlich hier. Schnell einchecken. Immerhin bekommen wir doch
nebeneinander liegende Sitzplätze, übers Internet konnte ich den Platz neben
dem Babykörbchen nicht reservieren. Im schlimmsten Fall hätte Haimon also
woanders sitzen müssen.
Doch in Frankfurt klappt alles: Es geht schnell durch
den Sicherheitscheck, die Beamten sind unheimlich freundlich, dass einem schon fast
unheimlich werden kann. Und Oskar ist wach, ebenfalls unheimlich. Mich
beschleichen Zweifel. Wird der Zwerg schlafen? Elf, fast zwölf Stunden im
Flieger. Er hockt immer noch glücklich in seinem Pyjama im Buggy, halb zehn abends,
quietscht und flirtet mit den anderen Wartenden am Gate. Wir werden als erstes
in den Flieger gebeten, wunderschöne Singapore-Airlines-Stewardessen stehen bereit. Oskar grinst,
der Vater auch. Kann losgehen. Singapur, wir kommen!
Flug Nummer eins
Die Crew ist wahnsinnig nett. Oskar bekommt vom zuckersüßen Steward mehrmals Spielzeug. Und zwei der Ausrufe zu hören, die ihn in den
kommenden zwei Monaten immer begleiten werden: Sooooo cute! And such beautiful
blue eyes! Irgendwann fallen dem Würmchen aber diese wunderscchönen blauen
Äuglein zu und wir verfrachten ihn ins Körbchen, was vor uns an der Wand
angebracht wird. Praktisch, denn es gibt essen, erst für den einen, dann für
den anderen von uns, so hat immer einer eine Hand frei, falls Oskar doch wieder
aufwachen sollte. Das tut er dann auch, aber nicht ganz freiwillig. Das
Anschnallzeichen leuchtet. Das bedeutet: Oskar raus ausm Schlafsack, raus ausm Körbchen,
auf meinen Schoß, anschnallen. Davon wird selbst das größte Murmeltier wach.
Oskar tut seinen Unwillen lautstark kund. Mist, ich spüre schon die Blicke aller
Passagiere. Und schiele auf die Uhr. Neun Stunden noch, mindestens. Zum Glück
schläft Oskar schnell wieder ein. Und von Turbulenzen ist nichts zu spüren,
Anschnallzeichen aus. Kind ins Körbchen. Ausstrecken, wegnicken. Bing!
Anschnallzeichen an. Kind raus ausm Schlafsack, raus ausm Körbchen. Geschrei.
Tätscheltätschel, schielende Blicke zu den Nachbarn. Ruhe. Turbulenzen? Null.
Anschnallzeichen aus. So ging das noch mehrmals in jener Nacht. Allerdings ohne
Oskars Mitwirkung. Denn den habe ich dann auf meinem Schoß gelassen,
angeschnallt. Hat schön geschlummert. Papa auch. Ich nicht. Aber wenigstens war
Ruhe.
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