Nach einer Stunde planschten wir bereits wieder in einem Pool, den ein Gebirgsbach geformt hatte. So erfrischt wurde die aufkommende Hitze des Tages erträglich. Haimon schloss schnell wieder Freundschaft mit den korsischen Rindviechern, die ähnlich zutraulich wie in den Alpen mit ihm waren. Vorbei an verbrannten Baumstümpfen, über die schon wieder die Sträucher wuchern, über sanft gewellte Wiesen hinüber zu Eichenhainen, in denen viele Wanderer den Mittag über rasten, geht es, bis sich der Pfad hinabsenkt in ein Flusstal. Zum ersten Mal nuckle ich vergeblich an meiner Trinkblase - leer. Drei Liter haben wir am Vormittag verbraucht. Unser Rother-Wanderführer schreibt nichts von der schon lange existierenden Quelle unten am Fluss. Ich frage mich langsam, ob die Autoren wirklich die Strecke gegangen sind.
Neue drei Liter Wasser im Rucksack wird der Weg leicht bergauf wieder schwerer. Doch eine Aufheiterung ist schnell da - es raschelt im Gebüsch, ein scharfer Geruch fährt mir in die Nase und wenig später grunzt es am Hang: Eine ganze Rotte halbwilder Schweine trabt durchs trockene Laub, schwarz-braun gefleckte Gesellen, die sich irgendwann vor Haimon drängeln und eine Weile vor uns her rennen, bis sie wieder zwischen Bäumen, Sträuchern irgendwo verschwinden. Weiter oben treffen wir auf weitere Artgenossen, die sich in Steinhöhlen entspannen und den neugierigen Wanderer höchstens mit einem Ohrwackeln und einem kurzen Grunzer begrüßen. Sie sollen auch schon Proviant gefressen haben. Wir machen uns wenig später am Col de Verde über ihre Verwandten her: Wir haben das größte Sandwich mit Salami in der Hand, was ich gesehen habe. Auch die Käsevariante ist Wahnsinn. Eine Belgierin, die Deutsch kann, lächelt uns zu. "Es ist aber noch nicht getan", sagt sie mit einer Mischung aus holländischem und französischem Akzent und deutet auf den Weg draußen vor der Terrasse. Zwei Stunden sind es noch ungefähr bis zum Refuge Prati...
Das Sandwich macht mir den langen, steilen Anstieg nicht leichter. Ich hickse vor mich hin, Schweiß rinnt literweise an mir herab, ich atme schwer. Und ahne, dass das noch nicht alles gewesen ist, was wir grade hinter uns haben. Franzosen mit verkniffenen Gesichtern hechten uns entgegen den Hang hinunter, ein Esel schreit in der Ferne, der Weg ist wieder steiler geworden, kleine Serpentinen durch staubigen Buchen-/Erlenwald, der sich irgendwann lichtet und den Blick frei gibt auf eine wunderschöne Berglandschaft - wäre da nicht der Blick hinauf auf weitere Serpentinen um Felsbrocken herum, alles noch der späten Nachmittagssonne ausgesetzt. Während ich mich so hochkämpfe, versuche, Moral und Atem zu finden, beschließe ich, dass unser Nachwuchs schon mit Bergschuhen auf die Welt kommen muss. Bei so einer Vorbereitung! Und schließlich stehen wir oben auf dem Pass, der Bocca d'Oru, über den Wolken, über den Dörfern weit unten in den Tälern, das Gesicht im Wind.
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