"Gebirge sind stille Meister und machen schweigsame Schüler."
- Johann Wolfgang von Goethe -
Der vorletzte Tag. Und wir haben wieder wunderschönes Wetter. Zum Glück ist es noch recht kühl, als wir losstapfen, hoch zum Rettenbachjöchl. Der schönere Weg führt über das Pitztaler Jöchl, ist aber wegen Steinschlags gesperrt. Und so zieht sich die Wandererkarawane am grünen See vorbei, ich schnaufe schon etwas über den Schutt hinauf zu den engen Serpentinen, Blick auf den Gletscher, an dessen Kanten zerissene Plastikplanen herunterhängen - ein hilflos wirkender Versuch, der Schmelze entgegenzutreten. Auf der einen Seite diese Bemühungen, Natur zu erhalten. Und bereits beim Aufstieg sieht man aber überall, wie oft der Natur Raum streitig gemacht wird. Skilifte. Seilbahnen. Hässliche Asphaltstraßen, die sich durch Fels und Eis fressen. Im Winter muss es rund um Sölden traumhaft aussehen. Jetzt einfach nur hässlich verbaut... Zu einer Abfahrt komme ich aber auch noch, selbst im Sommer. Ich habe das Rumgeeier auf dem Altschnee satt und werfe meine Stöcke vor einem kleinen Hang runter zu Jörg und Haimon. Und ab geht's auf dem Popo, ein Heidenspaß, nur viel zu kurz!
Juchuuuu! ...und nochmal Dank an Weggefährte Jörg für's Foto! |
Die Martin-Busch-Hütte ist nicht unbedingt der Liebling der E5-Wanderer. Es fängt beim Weg hinauf an. Er ist einfach demoralisierend. Egal, dass die Haflingerpferde am Rande niedlich sind, die Schafe naiv-doof gucken und wir vom "Muuuuuh!" auf's "Määääh!" umgestiegen sind. Egal auch, dass der Weg ein Fahrweg ist, also breit, einfach zu gehen, ohne derbe Steigungen. Er ist einfach nur ewig lang. Schlängelt sich am Hang entlang, ist weit einsehbar, trotz der kleinen Kurven. Und hinter jeder größeren Kurve meint man, müsse sich doch die Hütte verbergen. Und wird bitter enttäuscht. Es zieht sich diesmal wirklich. Ein paar halbnackte Senioren kommen im Sauseschritt an uns vorbeigehechelt, aha, die Bergschule. Ohne Rucksack. Nichtmal den Turnbeutel haben sie dabei. Mich plagt Durst und Gegenwind. Eine kurze Schrecksekunde, als ein Radfahrer auftaucht ohne Rad - das liegt ziemlich weit unten am Hang. So schnell saust man also aus der Kurve. Ein Leipziger kommt uns entgegen, nur noch ne Viertelstunde, meint er und erzählt uns seine Krankengeschichte. Vielleicht war's die letzte Tour für ihn...
Er sollte Recht behalten, nach knapp 13 Minuten stehen wir in der Hütte. Punkt zwei der Unbeliebtheit: Sie ist voll. Vom Süden kommen die Italiener. Bergsteiger nächtigen hier, weil sie auf den Similaun wollen. Wanderer und Busfahrer wollen Quartier. Und die Hüttenwirtin will offenbar erstmal nicht das Matratzenlager freigeben, sondern lässt uns warten, abweisen darf sie niemanden so weit oben. Wir würden zur Not auf dem Boden schlafen. Mit genug Bier geht das doch, sagt Haimon. Dann sieht er die Preise. Und überlegt es sich anders bei 4 Euro fürs Bier. Letztlich bekommen wir einen Lagerplatz, neben uns Bekannte - Niki und Kevin, die wir erstmals in der Kaunergrathütte kennengelernt hatten. Dann duschen wir und sorgen fast für einen Skandal bei den hinter uns Wartenden - weil wir zu zweit aus der Dusche kommen. Einfach, weil wir das eng bemessene warme Wasser für teuer Geld am besten ausnutzen wollten. Eine Dusche für 130 Leute übrigens. Frohes Warten! Aber gut, Luxus gibt's eh bald wieder. Eingemummelt stehen wir auf der Veranda und gucken auf die Gletscher und kargen Weiden mit ihren Ziegen und Schafen. Das Publikum drinnen ist uns diesmal zu laut. Draußen ist es aber der schneidende Wind, der uns 20:30 Uhr ins Lager treibt. Die letzte Nacht, die wir mit vielen anderen unterm Spitzboden teilen. Wundersamerweise ist es eine der ruhigsten.
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